Wenn man eingeladen wird, sollte man
sich eigentlich drüber freuen, doch so eine Einladung kann schnell zur Qual
mutieren. Da ich bei jedem Wetter gern spazieren gehe, treffe ich immer mal
Bekannte, so auch letztens, als mich eine ehemalige Nachbarin, die es sich
durch Umzug verbessern konnte, spontan zu sich in die neu eingerichtete Wohnung
einlud. Vor Jahren war ich ja schon bei ihr und bewunderte nun wieder die neuen
Möbel, Vorhänge und Teppiche, über die sie selbst manchmal stolperte wie der
Diener von Miss Sophie im Sketch Dinner
for One. „Und, was machst du so?“ fragte sie, während sie in der offenen
Küche am Kaffeekochen war.
„Ha, du wirst es nicht glauben, aber
mir gelang eine Super-Provokation. Ich hab für einen Wettbewerb in ICH-Form
einen Irren beschrieben, der seinen ausländischen Nachbarn umbringen will und
tatsächlich war ich so überzeugend, dass ich jetzt als fremdenfeindlich und
menschenverachtend dastehe und wahrscheinlich bald von Hatern verfolgt und
vielleicht selber umgebracht werde.“ berichtete ich aufgeregt.
„Das ist schön!“ sagte sie, was mir
verriet, dass sie mir gar nicht zugehört hatte.
„Hätte ich über einen Mord zwischen
Inländern geschrieben, hätte keiner auch nur ein Ohrwaschel gerührt.“ setzte
ich fort, obwohl ich wusste, dass sie sich schon aus dem Gespräch ausgeklinkt
hatte.
„Jaja!“ sagte sie automatisch als sie
mit dem Tablett reinkam - und ich fürchtete schon, sie würde über den neuen Teppich
fallen, doch sie kriegte die Kurve und reichte mir ein Häferl Kaffee und ein
Stück Torte. „Selbst gemacht!“
„Super, ich hab eh scho Hunger!“
verkündete ich und kostete die Torte.
„Na, ist die neue Einrichtung nicht
ganz formidable?“ fragte sie.
„JA-köch!“ sagte ich mit vollem Mund
und würgte. Ich liiiebe ja Torten, allerdings nicht, wenn sie mit Karotten
gemacht wurden.
„Das Rezept fürn Karottenkuchen hab i
aus der Zeitung. Der schmeckt prima!“ lobte sie sich selber.
Mit gezwungenem Lächeln nickte ich
und mir fiel die eine Folge von der BBC-Sitcom One foot in the grave ein, wo die Protagonisten den Karottenkuchen der
Mutter des Nachbarn als Türstopper nutzten, und diesen schnell in den Mülleimer
entsorgen, als er an ihre Tür klopft.
Sie erzählte mir ihre Lebensgeschichte,
die ich ja bereits kannte, und ich überlegte, was ich tun könnte, um dem Genuss
der K-Torte zu entgehen. Dass ich bereits satt war, konnte ich nicht sagen,
nachdem ich vollmundig verkündet hatte, Hunger zu haben. Da bemerkte ich, wie
sich hinter ihr eine fette Tigerkatze näherte. „Jööö, du hast ein Katzerl?“
Schwungvoll drehte sie den Kopf und
sagte: „Ja, des is der Muffin ausm Tierheim.“ Dabei sah sie ihn ganz verliebt
an und ich griff ein großes Stück der Torte und ließ es rasch unter den Tisch
gleiten, hoffend, dass die fette Katze sich diskret meines Problems annehmen
würde. „Mit der muss i net Gassi-Gehen so wie früher mit mein toten Hund!“
„Lieb! Und was hat die schöne
Einrichtung eigentlich gekostet?“ lenkte ich sie ab, damit sie nicht bemerkte,
dass ich unmöglich so viel von ihrem Backwerk im Nu in mich reingestopft haben
kann.
„Puhhh! Das kann i dir gar net sagen,
weil mein Sohn so einiges selber gemacht hat. Summasummarum circa 1.500 €. - Oh,
du bist schon fast fertig, willst no a Stück?“
„Na, vielen Dank, des war so
sättigend!“ lehnte ich ab und spülte den Rest der Torte mit dem Kaffee runter,
worauf sie abservierte.
Muffin kam unterm Tisch hervor, ich
sah nach, ob sie alles verspeist hatte und erschrak: der Klumpen Karottentorte
lag unberührt noch da. Was tun? Schon kam sie zurück und bereicherte ihre
Lebensgeschichte mit einigen Anekdoten. Bedrückt hörte ich zu und überlegte mir
schon eine Ausrede, falls sie meine Schandtat merkte (Ui, da muss mir was von
der Gabel gerutscht sein!).
„Hast du vielleicht einen
Magenbitter?“ fragte ich und sie bejahte, stand auf und ging wieder in die Küche.
„Danke! Ich mach ein bisserl das Fenster auf!“
Während sie also im neuen Küchenkastel
rumsuchte, packte ich blitzschnell den Klumpen und eilte zum Fenster, um ihn
rauszuwerfen und erlitt den nächsten Schock: Katzengitter! Da stand ich nun
ziemlich blöd mit einer Handvoll staubtrockener Karottenmehlspeis, die ich in
höchster Not unter mein Flanellhemd in den Hosenbund stopfte.
Nach einer halben Stunde
verabschiedete ich mich und schritt bedrückt heim. Warum hab ich nicht einfach
gesagt: Tut mir leid, aber dein Kuchen schmeckt mir nicht! - Das wäre auch
angesichts ihrer Unaufmerksamkeit gegenüber meiner Geschichte angebracht gewesen.
Aber ich bin einfach zu gut für diese Welt…
Wer auch so genervt von seinen Zeitgenossen ist, der kann sich mit meinen Büchern ablenken.
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