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Montag, 29. August 2011

Persiflage auf "Die 2"

Untertitel: 2+2=4facher Ärger

Der feine Lord Preston ‚Prett‘ Eclair und der flapsige Mister Nataniel ‚Tanny‘ Pride sind auf Urlaub in good old Germany. Man schreibt das Jahr 1971, wo es noch keine solche Pest wie Sicherheitsgurte, Handys, Internet-Flatrate und Reality-TV gab, aber die Welt trotzdem nicht ganz in Ordnung war. Leider konnten sich die zwei Playboys nicht einigen, ob sie für die gemeinsame Fahrt durchs alte Sauerkrautland Pretts bahamagelben oder Tannys ferrariroten Sportflitzer nehmen sollen und sich einen lapislazuliblauen Ford geliehen.
Schon während sie einsteigen liefern sich die 2 erfolgsverwöhnten, gutaussehenden, originellen Männer in den Wechseljahren wieder ein witziges Wortduell, das der gute Prett, wie immer im teuren Edelzwirn-Maßanzug, nonchalant eröffnet:„Also wirklich, alter Junge, für unsre Reise hättest du dich feiner ankleiden können. Z! Ihr Amerikaner und eure textilen Verhaltensauffälligkeiten.“
„Das sagt einer, in dessen Land noch immer eine Königsfamilie rumkaspert und Richter wie Anwälte in weißen Rokoko-Perücken rechtsverdrehen.“
„Hast du diese billige Jacke aus dem Sommerschlussverkauf?“
„Hör mal, das ist echtes Einhorn-Leder. Von mir höchstselber geschossen.“
„Dass du immer so angeben musst. Dein Hauptfehler ist, dass du so viele kleine Fehler hast.“ kritisiert Prett.
„Ihr affektierten Adligen seid eine wahre Kontinentalseuche. Von wem stammte der weise Spruch? Friedhelm Gotthilf von Halbwissen?“ kontert der Dandy gewohnt schnoddrig.
„Falsch, Rudi Flutschke! Wozu trägst du immer Handschuhe?“
„Damit man meine Krampfadern vom Ölbohren nicht sieht, du versnobter Nichtstuer! Mir wurde nämlich nichts vererbt vom royalen Seuchenteppich!“
„Na, na, na, wir haben nur England und ein bisschen Schottland befallen.“
„Schlimm genug, aber in Deutschland hängen sicher auch noch ein paar von euch Blaublütern rum!“
„Laberst du immer so viel?“
„Nur wenn einer zuhört!“
Der pensionierte Richter Milton, der sie sonst immer auf knifflige Kriminalfälle ansetzt, hat sich leider die Hüfte gebrochen und weilt zur Reha im schönen Sauerland. Das Wetter ist wie in den meisten Drehbüchern gut, das heißt sonnig wie das Gemüt unserer 2 Helden.
Noch nichts Böses ahnend fahren sie mit Prett am Steuer durch wenig befahrenes städtisches Gebiet. Die Straßen sind sauber, wie frisch gefegt, noch sind keine Statisten in Sicht.
Knapp nach Iserlohn bemerkt Prett erstaunt: „Nun sieh dir das an, Tanny. Da kommt mir doch in meiner Spur ein Truck entgegen.“
„Das kommt daher, weil du auf der falschen Seite fährst! Wie alle Engländer.“
Gerade noch kann Prett durch einen geschickten raschen Spurwechsel einen Frontalzusammenstoß vermeiden.
Tanny klopft ihm kurz auf die Schulter. „Anhalten, euer Lordschaft, ich fahre! Bei dir reicht‘s grad für ein Dreirad.“
Mit quietschenden  Reifen bremst Prett und steigt elegant aus, als ein hübsches Mädchen winkend auf ihn zuläuft. Sie trägt nur einen weißen BH und einen gelben Minirock sowie gelbe Plateau-Sandalen. Mit ihren blonden langen Haaren sieht sie Agnetha Fältskog von ABBA täuschend ähnlich.
„Bitte helfen Sie mir, ich werde verfolgt!“ keucht sie außer Atem und fällt ihm in die ausgebreiteten Arme.
„Na, Sie sind aber auch so auffällig angezogen, meine Liebe.“
Tanny ist inzwischen ums Auto gelaufen, drängt die Schöne sanft auf den Rücksitz. „Schnell quetschen sie sich ins Blechbüchschen, wir geben Fersengeld.“
Nachdem alle im Wagen sitzen, gibt Tanny Vollgas, ein Stein trifft krachend die Heckscheibe.
„Oh, die Königsberger Klopse fliegen wieder tief!“ empört sich Prett. „Zum Glück ist das nur ein Leihwagen. Ich hätte einen Herzanfall gekriegt wenn‘s mein eigner gewesen wäre.“
„Wie heißen Sie, schönes Kind?“ will Tanny wissen. „Lorelei vom Rhein?“
„Jill Tippit, die Kerle haben meine Schwester July in ihrer Gewalt.“
„Ach?“ erinnert sich Prett. „Sind Sie nicht eine der Tippit-Twins vom Tippit-Trust?“
„Genau, wir sind in den Ferien hier in einer Jugendherberge abgestiegen.“
„Was denn? Reicht‘s nicht mehr für ein Hotel bei Ihnen?“ erkundigt sich Tanny.
„Doch, aber wir wollten auch mal ein Abenteuer erleben.“ verteidigt sich Jill.
„Na, das hätten Sie einfacher haben können: einfach den flotten Tanny anrufen!“
„Der gute Tanny Pride, doppelt so nachtaktiv wie eine Fledermaus, aber nur halb so possierlich.“ klärt sie Prett auf.
„Sehr witzig! Könnten Sie zwei einmal ernst sein?“
„Bedaure. Wir sind Prett und Tanny mit der Schnodderschnauze!“ stellt Prett Eclair klar. „Was ist passiert?“
„Kaum, dass wir unser Zimmer im obersten Stock bezogen haben, sind drei brutale Kerle eingedrungen. Gott sei Dank ist meine Bluse zerrissen, als mich der eine gepackt hat und ich konnte flüchten. Ich wusste gar nicht, dass man in den klobigen Schuhen so schnell laufen kann.“
„Na dann hoffen wir mal, dass die Polizei hier gut Englisch parliert.“ scherzt Tanny.
„Bitte nicht.“ fleht Jill. „Daddy hat schon genug Sorgen mit uns und dem Finanzamt. Können wir nicht wenden und July gemeinsam befreien?“
Mit angezogener Handbremse schlägt Tanny das Lenkrad ein und befindet sich nach einem saloppen Wagendreher augenblicklich auf der Fahrspur zurück nach Iserlohn. „Na logisch machen wir wieder auf Retter der Witwen und Waisen, wenn sie wie Schönheitsköniginnen aussehen.“
„Wie haben denn die Kerle ausgesehen?“ fragt Prett.
„Puh, wie aus dem Verbrecheralbum rausgerutscht.“
„Eine erschöpfende Beschreibung, jetzt erkennen wir sie aus Millionen deutschen Arschgesichtern.“
„Ahaha!“ lacht Tanny geziert. „Herr Graf haben die Lizenz zum Dödeln.“
„Ich bitte Sie, glauben Sie bloß nicht, dass ich Spaß mache.“ versichert Jill und dirigiert Tanny zum Tatort. „Mir sitzt der Schreck noch im Gefieder-äh in den Gliedern.“
„Soll ich Ihnen mal versprechen, was in unsren Gliedern sitzt?“
„Tanny! Du wirst vulgär!“ warnt Prett. „Miss Tippit muss ja glauben, dass sie den Frauenmörder von Boston vor sich hat.“
„Apropos Mörder, die 3 Wüstlinge haben unsern Leibwächter aus dem Fenster geworfen. Und ich bezweifle, dass der das überlebt hat.“
„Da fällt mir ein Witz ein!“ blinzelt ihr Tanny zu. „Was ist der Unterschied zwischen einem Fall aus dem 1. Stock und einem Fall aus dem 11. Stock? Aus dem 11. Stock schreit einer AAAHHH und knallt dann auf und aus dem ersten Stock knallt einer auf und schreit dann erst AAAHH! Haha, gut was?“
Langsam nähert sich der Ford der 5-stöckigen Jugendherberge im typischen Beton -Billigbausündenstil der 70er-Jahre.
„Fahren Sie hinten herum, Tanny, da gibt es auch einen Eingang.“
„Von hinten oder vorne, wir nähern uns, ich und der Wohlgeborne!“ Schon hat Tanny einen Parkplatz am Hintereingang gefunden und weist Jill an:„Also, mein blondgelockter Engel, Sie schleichen sich hinten rein und wir von vorn.“
„Aber seien Sie vorsichtig, Jill. Das sind vielleicht Berufsmörder.“ warnt Prett, macht sich mit Tanny um das Gebäude herum und betritt es mit ihm durch die Eingangstür.
Im Foyer lungern 2 übel aussehende Typen herum. Einer erhebt sich und sagt bedeutungsschwanger: „Moment, ihr seht nicht so aus, als ob ihr hierher gehört.“
„Doch-doch!“ versichert ihm Tanny. „Wir leben hier unsre Midlifecrisis aus.“
„Genau, wir sind auf der Suche nach blutjungen Nymphomaninnen.“ ergänzt Prett lächelnd und spitzt den Mund wie zum Kuss.
Beide gehen zum Lift, in dem Jill bereits wartet, steigen ein und fahren hoch.
„Gab‘s in den 70ern denn schon Aufzüge?“ fragt Prett.
„Klar, besonders lustige in der Mode. Sieh mal die Hemden mit den langen Krägen.“ Tanny zieht ihn kurz am langen Hemdkragen.
Die beiden üblen Typen wundern sich noch kurz. „Das waren Engländer wie wir. Ich glaube, das sind dieselben 2 wie die beiden, die Jill im Auto mitgenommen haben.“
„Shit! Ihnen nach, wir nehmen die Treppe.“ Beide hetzen die Stufen hoch.
Oben im letzten Stock sitzt in einem spartanisch möblierten Zimmer July, das Ebenbild ihrer Zwillingsschwester, hat über dem BH noch ihre weiße Bluse an und steht auf.
„Wohin?“ fragt ihr Bewacher, ein fast 2-Meter-Mann mit Schnauzbart wie US-Detektiv Magnum.
„Hab mein Makeup verschmiert, muss mich renovieren.“ erklärt sie und geht raus.
„Ach sooo, aber hau nicht ab sonst gibt’s Kloppe. Dein Schwesterchen haben wir auch schon wieder einkassiert.“ flunkert er großspurig.
„Was habt ihr mit uns vor?“
„Erfährst du noch früh genug, Puppe. Und jetzt leer deine Tränensäcke aus.“
Missmutig schlägt sie die Tür hinter sich zu und geht traurig aber poposchwingend den öden Flur entlang.
Der Lift ist oben angekommen als July gerade die WC-Tür öffnet.
Jill steigt aus, sieht sie und flüstert: „Pst! Komm schnell!“
Doch Tanny drängt alle Richtung WC. „Ich höre Verfolger-Schritte, man kömmt rauf und wir können nicht runter.“
Alle verschwinden spontan in dem kleinen Raum, in dem außer der Clomuschel noch ein Waschbecken und ein Fenster eingebaut sind. Sie drängen sich auf 2 qm Fläche.
„Das nennt man bei uns ein Sandwich!“ witzelt Prett und guckt durchs Fenster. „Viel zu hoch zum Springen, hat eine der Damen vielleicht ein Seil dabei? Oder zur Not Zahnseide?“
„Hier riecht‘s irgendwie streng - haben Herr Lord wieder Zwiebel gespeist?“
"Nein, ich ernährte mich gestern nur flüssig."
Bei einem Blick in den Spiegel entfährt Tanny spontan: „Nun seht euch mal die beiden schönen Menschen an.“
July wehrt bescheiden ab. „Nicht doch. Wir kriegen oft solche Komplimente.“
„Ich meinte aber grad eben Prett und mich!“
Prett sieht auf die Clomuschel und bemerkt pikiert: „Eins sag ich euch gleich – wenn mir einer dabei zusieht, kann ich nicht!“
Die beiden Verfolger sind oben angekommen, kontrollieren den Lift und klopfen an die Zimmertür der Mädchen, hinter der Schnauz Wache hält. Dieser öffnet und hebt die buschigen Augenbrauen hoch. „Was is’n mit euch müden Trantüten?“
„Wo ist die Kleine?“ fragt einer seiner Compagnons.
„Musste mal für kleine Mädchen, wieso?“
„Weil sie leider 2 Helfer bekommen hat. So reiche eingebildete Laffen!“ erklärt der eine hektisch und eilt zur Clotür. „Hey, bist du da drin, July?“ Schnauz und der andre folgen ihm.
„Ja.“ sagt sie und Tanny dreht kurz den Hahn des Waschbeckens auf, um Pipi -Geräusche zu imitieren. Prett flüstert ihr was ins Ohr, worauf sie schnell sagt: „Aber hier ist kein Clopapier mehr, kannst du mir ein Taschentuch unter der Tür durchschieben?“
Schnauz befiehlt seinen Schergen: „Vielleicht sind sie am Dachboden. Späht mal nach!“ Brav tun sie es und er holt ein Papier-Taschentuch aus seinem Hosensack, das er unter der Tür durchschiebt.
Kaum ist ein Zipfel des Tüchleins zu sehen, reißt Prett die Tür auf und Tanny verpasst dem gebückt stehenden Schnauz einen Kniestoß in die Visage, gefolgt von einem Tritt in die Eier und einem Handkantenschlag ins Genick.
 „Das ist Tannyboys kostenlose Rundummassage!“ erklärt er grinsend.
„So, der böse Bube ist erstmal für ne Weile außer Gefecht.“ erkennt Jill erleichtert. "Muss unbedingt einen Selbstverteidigungskurs machen."
„Ihr Amis seid aber auch brutal!“ bemerkt Prett zu Tanny und zu den Mädels: „Hopp-Hopp! Holt eure Pässe, wir reisen ab.“
Die Zwillinge laufen in ihr Zimmer, holen ihre Handtäschchen, Jill zieht sich noch rasch einen gelben Pulli mit V-Ausschnitt über und dann fahren sie alle 4 im Lift runter. „Jetzt kann man uns wenigst unterscheiden.“
„Das will doch gar keiner von uns.“ merkt Tanny an und küsst ihr die Hand.
„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.“ flötet Jill.
„Oh, da fällt uns schon was ein!“ flüstert Tanny.
„Ja, Sie kamen im richtigen Moment, vielen Dank!“ zirpt July.
„Das ist unser Erfolgsgeheimnis: zur rechten Zeit am falschen Ort!“
„Ich kenne Ihren Vater übrigens, wir spielen im selben Poloclub.“ bemerkt Prett.
„Unser Vater spielt kein Polo, nur Golf!“ berichtigt July.
„Ach was, dann hab ich wohl den Caddie mit nem Pferd verwechselt.“
„Jetzt ist nicht die Zeit Höflichkeiten auszutauschen, wir müssen den flotten holprigen Abgang machen.“ erinnert Tanny. „Zeit für ne Verfolgungsjagd.“
Eilends steigen alle in den Ford und er lässt den Motor aufheulen.
„Das sind vielleicht feurige Pferdchen unter der Haube. Die traben jetzt nach Altenaffeln, wo die Affen Waffeln paffeln.“
„Wie bitte?“ fragt July. „Was sollen wir denn da?“
„Oh, da kuriert ein Freund von uns seine poröse Hüfte aus.“ erläutert Prett. „Der freut sich immer so, wenn er uns zwei sieht.“
„Hmm, er wollte ursprünglich ins Rothaargebirge, aber er hat wohl geahnt, dass ihr zwei Hübschen mit euren blonden Mähnen dort nicht hinpasst.“ Schon tritt er aufs Gas und prescht von dannen.
Doch sie hätten sich gar nicht zu hetzen brauchen, denn die  Schurken sind noch anderweitig beschäftigt. Schnauz pennt noch ohnmächtig vorm Clo und seine Schergen haben am Dachboden eben einige Antiquitäten aufgestöbert.
„Uiii, sieh mal, Shorty, eine Tiffany-Lampe.“
„Super, die versilbern wir am Flohmarkt, Lefty!“
Im Ford schickt Tanny Küsschen an die jungen Zwillingsdamen, die zusammen gekuschelt am Rücksitz ihren exklusiven Parfumgeruch verströmen. „Hmm, mein Riechkolben meldet mir Paarungsbereitschaft!“
„Tanny, lass das! Sagen Sie mal, Jill, wer wusste eigentlich, dass Sie hier Urlaub machen wollen?“
„Och, jeder. Warum sollten wir es denn geheim halten?“
„Zum Beispiel weil ihr 2 hübschen Bienen Millionen-Erbinnen seid und sich einige Gauner mit euch ihr weiteres Leben finanzieren wollen. Jaja, so böse Menschen gibt es.“
„Prett, du hast aber auch Ideen.“ schüttelt Tanny sein Haupt. „Aber er könnte recht haben, der adlige Schnösel. Sie sehen sich übrigens frappant ähnlich.“
„Das ist bei eineiigen Zwillingen meistens so.“ klärt ihn Prett freundlich auf.
„Na, dann bin ich ja totfroh, dass wir jeder zweieiig sind.“
„Du Ferkel!“
„Wir sollten mal Daddy anrufen.“ schlägt July vor. „Um ihm Ihre Heldentat kundzutun. Und ihm zu melden, dass wir einen neuen Leibwächter brauchen.“
„Fein, aber übertreiben Sie bei Schilderung unserer Heldentat ein wenig, das kann nie schaden.“ meint Tanny.
"Und was den Job des Leibwächters betrifft, schlage ich ein öffentliches Casting vor im TV!" bemerkt Prett.
Beim nächsten Postamt hält das Quartett und Jill meldet ein Ferngespräch nach England an. Kurz darauf telefoniert sie mit ihrem Vater, der in seinem feudalen Schloss in Kent hinterm Schreibtisch bei einem Wahlscheiben-Telefon sitzt.
„Daddy, du ahnst nicht, was uns hier passiert ist.“
„Ich habe euch vor den Deutschen gewarnt, wärt ihr doch nach Frankreich gereist.“ bemerkt Mister Tippit trocken, als er die Geschichte gehört hat.
„Aber Daddy, die 3 Schufte waren eindeutig Engländer.“
„Na zu eurem Glück habt ihr ja nun Schützenhilfe von Lord Eclair und diesem Ami.“
„Daddy, kannst du dir vielleicht denken, wer hinter diesem gemeinen Entführungsversuch  und dem Mord an unserm Bodyguard steckt?“
Tanny entreißt ihr kurz den Hörer: „Vielleicht ein gekündigter Angestellter? Hatten Sie mal einen, der 1,90 groß war, mit so nem Fransenteppich auf der Oberlippe?“
„Tanny!“ Jill nimmt ihm den Hörer wieder ab. „Fällt dir jemand ein?“
„Bedaure Darling, keine Ahnung, ich muss nun mit eurer Stiefmutter nach Ascot. Dort will sie ihre neue Sturmhaube ausführen. Außerdem treffen wir das hübsche Lieschen samt dem großohrigen Charly wieder.“
„Good Luck beim Wetten, Daddy, wir fahren jetzt nach Altenaffeln, bye!“
„Scheint so, als ob der Ahnherr keine große Hilfe gewesen ist.“ klagt Tanny.
„Der ist geistig noch immer in den Flitterwochen.“ entschuldigt ihn Jill.
„Richtig!“ erinnert sich Prett. „Mr. Tippit hat neulich erst geheiratet. Eine Theater-Schauspielerin namens….“
„Gilda Cartland.“ ergänzt July schnell. „Wir dachten gleich, dass sie nur hinter
seinem Geld her ist.“
„Hmmm…“ überlegt Tanny. „Möglicherweise will die Stiefmami euch ja für immer loswerden, um Alleinerbin werden zu können.“
„Sagen Sie sowas nicht!“ fleht Jill. „Das hört sich noch schrecklicher an als Erbschaftssteuer-zahlen!“
Wie vereinbart fahren alle 4 nun zu Richter Milton, der zurzeit in Altenaffeln ein Reha-Zentrum bewohnt. Momentan sitzt er in einem Rollstuhl an einem Tisch auf der Terrasse und trinkt ein Tässchen Tee.
„Richter, welche Freude, sie noch in einem Stück zu sehen.“ begrüßt ihn Tanny mit einem Schulterklopfer, der den Richter Tee spucken lässt. „Obwohl, schöner sind Sie leider nicht geworden.“
„Darf ich bekannt machen?“ Prett zeigt auf die beiden Blonden. „ Jill und July Tippit, Millionen-Erbinnen in arger Bedrängnis.“
„Sehr erfreut!“ begrüßt der Richter die jungen Damen und bietet ihnen einen Platz an seinem Tisch im Garten des Reha-Zentrums an. „Möchten die Damen vielleicht ein Glas Limo haben?“
„Ach, schmieren Sie sich Ihr Kinderbelustigungswasser in die spärlichen Haare.“ regt Tanny an. „Die zwei Sexbömbchen schlabbern nur Schampus!“
„Wie geht es Ihnen hier, mein bester Richter?“ fragt Prett schnell.
„Man lebt hier fast wie daheim. Raues Klima und viele Niederschläge.“
„Apropos Niederschläge…“ deutet Tanny auf die 3 sich nähernden Verfolger aus der Jugendherberge. „Das trottelige Trio ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht und bettelt um die Aufmerksamkeit der Zuschauer.“
„Oje, gleich hagelt‘s wieder Hiebe!“ ahnt Prett.
"Versuchen wir's zuerst mit Flucht!" mahnt der Richter.
„Wie haben die uns so schnell gefunden?“ wundert sich Jill.
„Mir kommt da so ein Verdacht.“ ruft Prett noch im Weglaufen.
Alle hasten durch den malerischen Park zwischen Rekonvaleszenten auf Krücken und in Rollstühlen. July stürzt und es kommt zum Kampf zwischen den Männern.
PAFF, KLATSCH, WUMM, PATSCH….
„Was ist denn hier los?“ fragt eine herbeigeeilte sexy Krankenschwester.
„Wir tanzen Faust-Polka!“ bemerkt Tanny, nachdem er Schnauz wieder einen Tritt mit seinen eleganten Stiefeletten ins Gemächt gegeben hat. „Ja, man kann sich auch ohne viel Geld königlich amüsieren.“
Einer der Bösen hat sich July geschnappt und hält sie mit beiden Armen von hinten umklammert fest. „Gebt auf, ihr eitlen Affen!“
Prett wird daraufhin wütend und spricht mit erhobenem Zeigefinger: „Jetzt nehmen Sie mal die Vorderhufe von der Dame, sonst kriegt Ihr Rossgebiss gleich Flügel.“
July tritt dem Unhold mit ihrem Absatz auf den Fuß, worauf er laut „AU!“ schreit und sie loslässt, sodass ihm Prett ungestört einen Kinnhaken verpassen kann. „Das hat so gekracht, dass es sogar dein Zahnarzt gehört haben muss!“
„Schluss jetzt, ihr Flitzpiepen!“ befiehlt einer des kriminellen Trios - der Letzte, der noch stehen kann - und richtet eine Pistole auf die 4 in Not. „Das ist eine Bleispritze Kaliber 38! Macht unschöne Löcher nicht nur in Maßanzüge.“
„Huch, der hat doch glatt die Weiterentwicklung der Steinschleuder in der Pranke!“ kommentiert Tanny die Szene. „Der lausige Neandertaler der!“
Prett meint trocken: „Wer keine grauen Zellen hat, braucht Blaue Bohnen.“
Hinter dem Bewaffneten taucht aber schon Richter Milton in seinem Rollstuhl auf. Mit Karracho fährt er den Pistolenmann um, der noch im Fallen ein „Argh!“ von sich geben kann, ehe er zu Boden geht und sich eine Auszeit vom Geschehen nimmt.
„Nun sieh dir nur unsern rasenden Roland-äh-Richter an, Tanny. Dieser entzückende Zahnprothesenträger mausert sich zum Ersatz-Zorro.“
„Gelle, wie ein geölter Blitz auf Rädern. Ein Rächer im Rollstuhl.“
„Das reicht jetzt mit den lästigen Leibesübungen.“ hakt Richter Milton ein. „Machen wir uns vom Acker, Gentlemen.“
„Seid ihr auch alle okay?“ fragt Jill ängstlich.
„Klar, wie nach einer gelungenen Darmspiegelung.“ behauptet der Richter. „Wäre ich noch jünger, hätten die sich alle Särge zimmern lassen können.“
„Na heut können Sie sich immerhin noch selber einen basteln, Richter Mülltonne!“ stellt Prett lächelnd fest.
„Ach, ihr sollt an euren müden Witzen ersticken.“ schimpft Richter Milton.
„Nun müssen wir aber hurtig zu fünft fliehen.“ meint Tanny und eilt mit Jill gleich vorneweg.
 „Bin ich froh, dass mein blaues Blut noch nicht ausgelaufen ist.“
„Aber Euer Lordschaft Lippe ist geschwollen.“ bemerkt Tanny, als er sich kurz nach ihm umdreht.
„Warte ein paar Jahrzehnte und das wird die große Mode.“ prophezeit Prett augenzwinkernd.
Letztendlich sitzen alle 5 in dem geliehenen Ford - den Rollstuhl im Kofferraum - und befinden sich wieder auf der Flucht vor üblen Gesocks. Der Lord am Lenkrad brettert durch die Landschaft als gäbe es keine Verkehrsregeln.
Richter Milton hört sich die Geschichte der Zwillinge an, die bisher ohne ihn gelaufen ist und bemerkt sofort: „Es war ein Fehler, Ihrem Vater zu verraten, dass Sie zu mir wollten.“
„Aber Daddy würde doch nie-“ jammert Jill.
„Aber unsre neue Mummy, das heißt natürlich Stiefmami.“ konstatiert July mit säuerlicher Schnute.
„So eine Stinkstiefelmami aber auch! Eine richtige Lady Gacka!“ stellt Tanny erbost fest.
„Wisst ihr was? Ich breche meinen Genesungsaufenthalt hier ab. Das Bier ist nämlich so warm wie der Fraß eigentlich sein sollte.“ beklagt sich Richter Milton. „Wir brechen wieder in die Heimat auf, wo schon Plum Pudding und guter Porridge auf mich warten.“
„Jummy!“ schmatzt Prett kurz. „Da rinnt mir gleich das Wasser aus der Nase.“
„Ja findet das den Weg durch die adligen Polypen?“ ätzt Tanny.
Szenenwechsel: Auf dem Flughafen Heathrow wartet nach einem Anruf aus Deutschland schon der treue livrierte Chauffeur der Familie Tippit auf die Zwillinge samt ihrer Entourage.
„Hatten die Missen eine angenehme Reise?“ erkundigt er sich pflichtbewusst.
„Kann man nicht grade von sprechen.“ antwortet July beim Einsteigen in die feudale Limousine, natürlich einem Rolls Royce Silverbird.
„Naja, ich fand unsere Faustbussis ganz amüsant.“ gibt Tanny bekannt.
„Und meine Lippe ist auch schon wieder abgeschwollen.“ vermeldet Prett.
„Dein Ponem kann sowieso nichts mehr entstellen.“ tröstet ihn Tanny.
„Mir gefällt’s!“ gibt Jill bekannt. "Besser als alle, die ich vorher hatte."
Auf der Fahrt zum Schloss der Tippits tauchen 3 maskierte Motoradfahrer auf.
„Nicht schon wieder. Das wird ja schon zur Gewohnheit.“ flüstert Prett pikiert.
„Anhänglich wie Schoßhündchen ist das Gesindel.“ beanstandet Tanny. „Diese 3 Stooges sind ärger als eine Filzlausplage. Eine Pandemie der Proleten ist das. Fahren Sie schneller, James.“
„Mein Name ist Wilson, Sir!“
„Ist mir auch recht, Hauptsache Ihr Bleifuß bleibt am Gaspedal!“
Leider ist es dem braven Chauffeur nicht möglich die 3 Verbrecher abzuschütteln. Einer davon feuert in die Reifen und trifft auch noch, was den Wagen mit einem Plattfuß in den Graben befördert.
„Wilson, Sie sollten sich als Müllkutscher bewerben.“ rät Prett.
Alle steigen aus und rennen um ihr Leben, nur der marode Richter muss mit seiner angeknacksten Hüfte im Wagen ausharren, doch ihm wollen die Bösewichter sowieso nicht ans Leder. Es gelingt Prett und Tanny die Mädchen und den mitgelaufenen Chauffeur Wilson, in eine zufällig in der Landschaft stehenden, alten Baracke in Sicherheit zu bringen.
„Gut, dass die hier einer von der Requisite her gebaut hat.“ freut sich Prett.
Alle verbarrikadieren mit Kisten und Brettern den Eingang, als Schnauz draußen einen Molotow-Cocktail zückt.
„Kommt freiwillig raus, oder wir räuchern euch aus wie Selchfleisch!“
„So ein Spielverderber aber auch!“ beschwert sich Prett. „Ich bin mir sicher, dass das gegen die Genfer Konvention verstößt.“
„Kuckuck!“ meldet Tanny erfreut und zeigt auf den Boden. „Hier gibt es ja einen Notausgang. Oder eine Pforte zu Teufels Schwiegeroma.“
Ein viereckiger Schacht lädt alle zum Hinabklettern ein. Sie landen in einem engen Stollen.
Tanny beschwert sich sogleich: „ Buh, hier isses so finster wie in deinem Arsch, Mylord!“
„Wo Sie schon überall waren!“ wundert sich July.
„Dann lass mal einen deiner Geistesblitze leuchten, Tanny!“
„Erst wenn du die Sparlampe auspackst, Altadliger!“
Glücklicherweise haben alle Herren und auch die Mädchen ein Feuerzeug bei sich, denn noch ist die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens unbekannt.
„Mann hier sieht’s ja aus wie bei Hempels unterm Sofa!“ mokiert sich Prett über einige Spinnweben, die dekorativ von der Decke hängen. „Und ich hab meiner emsigen Putzfrau freigegeben.“
„Uijeh, da wird dem feinen Herrn Lord gleich speiübel was?“ ärgert ihn Tanny.
„Klappe Tanny. Tut dir eigentlich nie dein Unterkiefer vom Blödsinn-Brabbeln weh?“
„Ne, aber ein anderer Körperteil vom Wixen!“
Sie irren einige Zeit in dem unterirdischen Gang herum, als Jill piepst: „Lasst uns mal innehalten für einen Moment der Angst.“
„Angst? Was ist das?“ fragt Prett mit hochgezogener Augenbraue.
„Zittern der Knie, Klappern der Zähne, Gang des Arsches auf Grundeis!“ erklärt sie und schmiegt sich etwas an seine Lordschaft.
Was Tanny sogleich zur bissigen Bemerkung hinreißt: „Kenn‘ ich nicht. Außer beim Zahnklempner während des Brückenbaus – aber das solltet ihr in eurem Alter noch nicht nötig haben, oder?“
„Stimmt, da können Sie Ihren Arsch drauf wetten!“ bellt Jill und geht mit allen weiter.
„Ich weiß, wohin dieser Stollen führt!“ meldet Wilson, „Direkt in den Keller von Schloss Tippit. Wurde vom Vorbesitzer angelegt, damit er ungesehen von der Gattin zu seiner Bridgerunde oder ins Bordell verduften kann.“
„Oh, das ist aber praktisch!“ freut sich Tanny. „Langsam krieg ich nämlich Kohldampf. Wann gibt es bei euch Dinner, Jill?“
July antwortet: „Wenn ich es sage!“
Wilson hat mittlerweile eine an der Wand befindliche Fackel angezündet und leuchtet damit den andern besser den Weg aus.
„Diese Steinzeitlampen hat wahrscheinlich ein Wikinger auf Feldzug vergessen.“ vermutet Tanny.
„Oder das Gespenst von Canterbury auf Flucht vor Ami-Touristen.“ mutmaßt Prett mit Blick auf  Tanny. „Ihr seid nämlich schlimmer als Heuschrecken!“
„Nichts im Vergleich zur retardierten Adelsgesellschaft-Brrrlltt!“
Als alle endlich im Schloss-Keller angekommen sind, packen sie ihre müden Feuerzeuge wieder ein und schlendern entspannt nach oben.
Verwundert empfängt sie Mr. Tippit. „Nanu, wart ihr etwa in meinem Weinkeller?“
„Ein bisschen, aber wir haben von keinem Fläschchen genascht!“ versichert Tanny. „Obwohl meine Magensäure dringend verdünnt gehört!“
„Dafür tun mir von der Hetzjagd alle Knochen weh.“ beschwert sich Prett.
„Ja, Eure Lordschaft werden eben auch nicht jünger!“ hänselt ihn Tanny.
Jill fällt ihrem Vater um den Hals. „Oh Daddy, du glaubst nicht, welche Angst wir hatten.“
„Ahso? Wisst ihr wieder nicht, ob ihr schwanger seid?“ forscht Mr. Tippit streng.
July umarmt ihn ebenfalls. „Hast du deiner neuen Frau erzählt, dass wir nach Altenaffeln wollten?“
„Jaaa, warum sollte ich das nicht tun? Wir plaudern so gern zusammen.“
„Weil die Dame vermutlich hinter allem Unheil steckt!“ erklärt Prett genervt.
„Yeah, cherchez la famme, wie die Itaker sagen. Wie wärs jetzt mit einem Willkommenstrunk?“ regt Tanny an. "Wein, Weiber haben wir schon und Gesang gibt's vom Plattenspieler."
„Gilda!“ schreit Mr. Tippit nach oben.
Tanny erschrickt kurz „Mann, hat der Opa ein lautes Organ. Hält man ja im Kopf nicht aus.“
Im ersten Stock erscheint daraufhin an der Treppe eine atemberaubende Schönheit in einem purpurroten Walle-Kleid von Karl Lagerbier.
„Du hast nach mir gerufen, Darling? Ich hab schon wieder Migräne!“
„Wow!“ macht Tanny, worauf er von Jill einen rügenden Blick erntet. „Also die ist nicht grade hässlich, die Mutter, die er euch da ausgesucht hat.“
„Schönen guten Tag, Mrs. Cartland, sind Sie mit der Schnulzen-Schriftstellerin Barbara verwandt?“ fragt Prett freundlich.
„Leider nein, sonst hätte ich längst ausgesorgt!“ entfährt es ihrem blutroten Mund.
„Aber Darling!“ lässt Mr. Tippit entgeistert verlauten. „Hast du mich etwa nur des Geldes wegen geheiratet?“
„Nicht nur!“ gibt sie zögernd zu und schreitet majestätisch die Treppe herab, so als wäre es eine Show-Treppe. „Auch wegen deines Grundbesitzes.“
„Pfui, schäm dich, du Erbschleicherin!“ schimpft July.
„Hast du mich denn nie geliebt?“ forscht Mr. Tippit mit leiser Stimme.
„Zum Teil.“ kichert Gilda keck. „Den Teil, der meine Schecks ausschreibt! Möchtest du sonst noch was wissen?“
„Ne“, mischt sich Tanny ein, „was in der Wurst so alles drin ist, sicher nicht.“
„Steckst du hinter den Entführungsversuchen meiner Töchter?“
„Pst. Ich bestehe auf die Unschuldsvermutung.“ wispert Gilda und küsst ihren Mann auf die Wange, worauf ihm ein roter Abdruck zurückbleibt.
„Eher auf die Unmutsverschuldung!“ meint Prett naserümpfend. „Ich fürchte, ihre 3 laienhaften Komplicen werden bei der Polizei singen wie die Callas in der Oper!“ Prett nickt Richtung Tür, wo schon die ersten hübsch uniformierten Polizeibeamten mit Richter Milton im Rollstuhl anrücken.
„Ja, wer kommt denn daaa?“ singt Tanny und reibt sich die Hände. „Die Herren Bullen und der Opapaaa!“
Prett kommentiert trocken: „Stellt eure Lauscher auf Empfang, Tanny erfindet grad den Sprechgesang.“
„Ja, auch wir Briten haben eine Kavallerie, die rechtzeitig zur Rettung antrabt.“ gibt Richter Milton bekannt. Daraufhin verbeugt sich Tanny vor ihm wortlos.
„Wie haben Sie ohne Telefon die Polente holen können?“ will July wissen.
„Per Leuchtsignal - ich hab den Rolls gesprengt.“ gesteht er grinsend.
„Oooch, Sie Vandale, das war unser Lieblingsluxusvehikel!“
„Nun mecker nicht, mein Mäuschen!“ beschwichtigt sie Tanny. „Dafür trag ich dich zukünftig auf Händen!“ Mit Schmackes hebt er sie kurz hoch.
„Ein Schnauzbärtiger und seine Helfershelfer haben schon die Lady Tippit als ihren Boss geoutet!“ verkündet der Richter stolz. „Sie plapperns aber gern nochmal vor.“
„Aaach!“ ärgert sich diese. „Der Blitz soll euch alle beim Schiffen treffen!“
„Dafür bekommen Sie nun vom Constable 2 feine Armbänder.“ verspricht Prett und weist einen Bobby bestimmt an: „Los legen Sie ihr den 8er an!“
July macht mit einem Arm eine Schlenkerbewegung, um dann  den Daumen Richtung Tür zu recken und durch die Zähne und Lippen eine Art tonloses Pfeifen durchklingen zu lassen: „Fttt!“
Nachdem Gilda Cartland-Tippit plus ihr 3köpfiges Gefolge in Handschellen abgeführt sind, tröstet Jill ihren Vater. „Mach dir nichts draus, Daddy, so ein reicher Mann wie du findet immer irgendwo eine schöne willige Frau, die ihm gut Theater vorspielt.“
„Jawollja, wozu kleckern, wenn man auch klotzen kann!“ regt Tanny spontan an und klopft dem alten Tippit auf die Schulter. „Um Ihre Knete kriegen Sie einen ganzen Harem an unterbeschäftigten Schauspielerinnen.“
„Ich schlage vor, wir machen jetzt alle 4 zusammen Urlaub.“ meldet sich July zu Wort. „Wir sind das unschlagbare Kleeblatt.“
„Und zwar, wie Daddy ursprünglich vorgesehen hat, in Frankreich.“ posaunt Jill aus.
„Was beim Erbfeind? Den Champagner-Schlabberern?“ fragt Prett erstaunt.
„Sei doch nicht so negativ, Lordchen. Die Franzmen haben doch auch ihre guten Seiten.“ erinnert ihn Tanny. „Den Can-Can im Moulin Rouge zum Bleistift!“
„Au, dein Magerhumor schleift im Gehörgang.“ rügt Prett. „Schraub dein Niveau höher.“
„Ich schraub andern lieber meine behandschuhte Faust ins Schiel-Auge.“
„Und wir zwei alten Herren bleiben hier im Schloss und spielen eine Partie Schach!“ regt Richter Milton Mr. Tippit an, der daraufhin nur ein müdes Gesicht macht.
„Nun ziehen Sie mal die Mundwinkel hoch, Sie rostiger Charmebolzen! Obwohl Sie die einzige tragische Figur in der Story sind.“ setzt er daraufhin nach.
„Och, dem ist grad die Mimik eingefroren, bei der trostlosen Aussicht mit einem alten Fossil rumspielen zu müssen.“ gibt Tanny gut gelaunt bekannt und boxt Mr. Tippit aufmunternd in die Leber-Seite. „Kopf hoch, nur weil Sie von Ihrer Alten so gemein angeschissen worden sind, brauchen Sie nicht den trüben Trauerkloß spielen.“
Richter Milton erhebt sich mühsam aus dem Rollstuhl.
Prett bemerkt es belustigt.„Oh, sieh mal, Tanny, der geh-faule Richter ist im Eiltempo genesen.“
„Geht eben nichts über die Wohltat der Heimat, nes pas?“ stellt Tanny fest.
Richter Milton probiert vorsichtig, ob er seine Hüfte schon belasten kann.
„Was ist los, Alterchen?“ fragt Tanny. „Rieselt schon der Kalk oder hält der Knochen noch bis zur Beerdigung?“
„Ich glaube, bei der Wiederauferstehung des Fleisches darf er liegenbleiben.“ schätzt Prett und ordnet seine Kleidung und seine Frisur.
„Eure Frechheiten werde ich dann wohl am meisten vermissen.“ klagt der Richter, als er sich langsam und sinnlos durchs Schlossfoyer bewegt.
„Die gibt es übrigens auch bald zum Nachlesen. Ich plane nämlich meine Memoiren zu schreiben!“ kündigt Prett stolz an.
„Och nein, Lord Pretthart, lass dir damit Zeit bist du so alt bist, wie du jetzt schon aussiehst.“ rät ihm Tanny. „So circa 80.“
„Dann hättest du mit deinen aber schon anfangen müssen, Tannylein!“
„Hab ich auch, will bloß keiner verlegen. Muss wohl noch einige Skandale liefern, damit sich einer für mein Leben interessiert.“
„Ich fürchte, das wird dir sogar ganz ohne viel Planung gelingen.“
„Jetzt haltet beide die Klappe und führt eure Holden Gassi!“ schlägt Richter Milton ungeduldig vor. „Lange kann ich nämlich nicht mehr stehen- äh- euch ausstehen.“
Tanny hat seinen Arm um Jill geschlungen und Prett den seinen um July.
„Wir können zwischendurch auch mal tauschen, Prett!“ schlägt Tanny mit zwinkerndem linken Auge vor. „Übrigens, wenn wir zurückkehren, könnten wir zu viert hier im Schloss hausen!“
„Sehr gern! Und Sie, Mr. Tippit, kriegen ein schönes Zimmerchen im Altenheim.“ frohlockt Prett.
„Genau!“ stimmt Tanny zu und klopft ihm auf die Schulter. „Gleich neben ihrem neuen Kumpel Richter Milton, dem sympathischen Friedhofs-Deserteur!“

Montag, 22. August 2011

SOMMER DER ERKENNTNIS

Wenn ich eins gelernt habe, dann dass Verwandte immer Ärger bedeuten. Entweder man hat mit Ihnen Zoff oder wegen ihnen. Mein Verhängnis begann, als ich meinen jüngeren Halbbruder wiedertraf. Seinetwegen bin ich immer benachteiligt worden, obwohl ich der Bravere von uns beiden war. Aber die Menschen wollen ja belogen und betrogen werden und lieben jene miesen Bastarde, die ihnen schlaflose Nächte bereiten.
Nichtsahnend lag ich auf einer Bank im Ost-Park, wieder mal arbeitslos, weil ich gegenüber dem Chef meine ehrliche Meinung geäußert hatte, und genoss die Sonne, die ihre wärmenden Strahlen Gottseidank noch gratis zu uns runter schickt. Da tippte mir Hellfried, vulgo Hell-Boy, freundlich auf den blanken Bauch. Ich schob meine Baseball-Kappe zurück und freute mich sogar, ihn unverhofft nach Jahren wieder zu sehen.
„Hallo Rudbert, mein Brüderchen!“ begrüßte er mich. „Siehst ja gut aus, dafür dass du immer die Prügel kassiert hast, die ich eigentlich verdient hätte.“
„Alter Schwede!“ ließ ich erstaunt über seine seltene Aufrichtigkeit verlauten. „Manchmal hätte ich dich erwürgen können. Was machst du denn hier? Das letzte Mal, als ich mit unsrer Mutter telefoniert habe, sagte sie, du verbringst deine Sommer meist auf  Hawaii.“
„Rudbert, ich hab die Welt durchschaut.“ flüsterte er mir verschwörerisch zu und setzte sich neben mich, der immer noch in Rückenlage war. „Es ist viel einfacher, als ich dachte, so ähnlich wie im Film Matrix.“
„Ach? Willst du mir jetzt die blaue oder die rote Pille anbieten?“ fragte ich und dachte, der will mich erheitern, denn früher hatte er viel komödiantisches Talent. Mimte vor allem dann den Clown, wenns für ihn eng wurde.
„Ich schwöre dir, es klingt unglaublich, aber es gibt jemanden, der uns alle programmiert so wie die Sims.“
Nun richtete ich mich auf und sah mein eignes unrasiertes Gesicht in seiner verspiegelten Sonnenbrille, die er abnahm und wieder seinen unschuldigen Ich-wars-nicht-Kinderblick aufsetzte. „So?“
„Jaa!“ rief er, senkte aber sofort wieder seine Stimme. „Durch eine Reihe von Unfällen bin drauf gekommen, sie führten mich direkt in die Nähe eines Software-Technikers, der in …..“ Nun wandte er sich nach allen Seiten um, scheinbar auf der Suche nach unerwünschten Zuhörern.
„Machs nicht so spannend, Helli!“
„Pst!“ mahnte er und wirkte nun irgendwie gehetzt und viel älter als 28. Der sollte ab und zu zur Entspannung ein Tütchen rauchen, dachte ich noch. Doch für verbotene Substanzen hatte nur ich von uns beiden die Veranlagung geerbt. Unsre liebe kettenrauchende Mutter verteilte ihre guten Gene leider nur sparsam.
„Pass auf, Rudbert, ich verrate dir, wie du dein Leben ändern, das heißt umprogrammieren lassen kannst. Als Entschuldigungsgeschenk für die schwere Jugend, die du durch mich hattest.“
„Da bin ich aber mal gespannt wie Omas rosa Regenschirm. Erinnerst du dich noch, wie du damit vom Balkon gesprungen bist und mir die Schuld am Beinbruch in die Schuhe schobst.“ Du Bastard, dachte ich, Vater und Mutter werd‘ ich mal vergessen, aber dich nie. „Und als du mir meine erste Freundin wegschnapptest mit der Behauptung, ich sei nur deine Nachgeburt.“
 „Jaja, hör zu, denn ich dürfte dir das eigentlich nicht verraten.“ Man sah ihm an, dass er mir ungern einen Zettel zusteckte. „Lern die Adresse auswendig.“
Auf dem zerknitterten Papier stand eine Adresse im Elsass, wo wir vor über 20 Jahren mal mit Mutter auf Urlaub waren. Die ausnehmend schöne Landschaft wird mir noch in Erinnerung bleiben, selbst wenn mich Herr Alzheimer dereinst heimsucht. Kurz lebten wir wie Gott in Frankreich.
„Hast du es?“ fragte er und als ich nickte, entriss er mir den Zettel schnell. „Du wirst dort von 2 Rottweilern erwartet, die kannst du mit den richtigen Codewörtern ausschalten: „Pontius exit und Pilatus exit! Dann gehst du zur Tür und tippst den Zahlencode ein: 70 21 42. Alles verstanden?“ Nach meinem Nicken wollte er schon weg.
„Warte! Wie geht es dann weiter?“
„Kein Wort von mir, sonst verlieren wir beide unsre Existenz. Du sagst, du hättest sein Spiel durchschaut und wolltest ein besseres Leben. Alles weitere kannst du dir aussuchen. Versuchs an einem Freitag.“ Ohne Abschied eilte er in seinem 2000-Euro-Maßanzug davon, als wär der Teufel hinter ihm her.
Nach einer Stunde fragte ich mich, ob ich das alles nur geträumt hatte, konnte mich aber sowohl an die Adresse als auch an die Codewörter und den Zahlenschlüssel exakt erinnern. Dann ärgerte ich mich, dass er mir nicht das Fahrgeld für die Reise von Frankfurt nach Frankreich gegeben hatte. Nicht mal die Holzklasse, einen einfachen Linienflug, hat der mir spendiert. Aber er gehörte halt zur Kategorie jener Aasgeier, die ihren Opfern sogar die Amalgam-Plomben aus den Zahnruinen pickten. Also musste ich wohl oder übel Autostoppen. Wäre ich ein blondes Model gewesen mit 1,20-Meter-Beinen in Shorts, die im Schritt offen sind, hätte es sofort einen Auffahrunfall gegeben, aber als männlicher Asphalt-Hippie wartete ich circa 2einhalb Stunden ehe ein einsamer Trucker hielt, der diesen Models wohl zu wild aussah und musste mir seine (erfundenen?) Sexabenteuer anhören. Noch obszöner als die feuchten Stoßgebete der knirpsigen Fernsehtante, die immer blöd labernd in komischen Puppenkleidchen, als fleischgewordener Pädophilen-Traum, aufgetreten ist, ehe sie nurmehr einem Produzenten zwischen Puffbesuchen das Standgebläse mimte. Tja, nur ein Schwanzlutscher hat in der Branche Erfolg!
Mich taub stellend äugte ich aus dem Fenster und erfreute mich an der endlich auftauchenden einst heißumkämpften Landschaft des Elsass mit seinen wunderschönen Tannenwäldern der Vogesen und den Fachwerkhäusern der malerischen Städtchen in der Ebene zwischen den Bergen und dem Rhein. Das letzte Stückchen zum Ziel humpelte ich zu Fuß, obwohl die Sonne gnadenlos von einem wolkenlosen Himmel herunterbrannte. Aber was tut man nicht alles für ein lebenswertes Dasein und dank Hellfrieds Tipp schien nun auch meine Zeit gekommen und der Weg zum Erfolg frei ganz ohne unappetitliche Extras.
Nahe des Klosters Murbach fand ich das abgelegene umzäunte Grundstück, wo mir 2 kläffende Kampfhunde - so groß wie Kälber aber mit breiteren Schädeln - entgegen liefen, die jeder 400-Kg-Bisskraft entwickeln konnten. Und ich hatte weder eine Bockwurst noch Aspirin bei mir. Hemdsärmelig stand ich in schmutzigen Jeans und ausgelatschten Sneakers zerlumpt wie ein Bettler da.
„Pontius exit!“ befahl ich, worauf beide Rottweiler sofort verstummten und sich einer davon hinsetzte. Als ich auch Pilatus den Exit-Befehl gab, setzte sich auch der zweite. Trotz Hitze hechelten sie nicht. Der mit Stacheldraht verbrämte Zaun war weder elektrisch noch besonders hoch, ich kletterte rüber und lief auf dem Kiesweg knirschenden Schrittes zur Tür mit dem Emblem J. Ch., wo ich die richtigen Zahlen eintippte. War das ein Geburtsdatum verkehrt rum, dachte ich noch, 24.12.07 ….  Jesu Christi Geburt? Ja wenn der Software-Techniker Gott war, hatte er sich hier ein paradiesisches Plätzchen ausgesucht.
Mulmigen Gefühls schlich ich rein ins karg aber sündteuer möblierte Haus, in dem es nach Weihrauch roch. Aus einem der Zimmer hörte ich die typischen Computer-Geräusche. Dort angekommen, spähte ich durch die offene Tür und erblickte einen circa 30-jährigen Mann mit längerem dunklen Haar, der fortwährend auf die Tastatur einhämmerte. Zum Glück hatte er keinen Bart, sonst wär ich vor Ehrfurcht gestorben und hätte kein Wort herausgebracht.
Entschlossen trat ich ein und sagte mit fester Stimme: „Entschuldigung, ich habe Ihr Spiel durchschaut und möchte ein besseres Leben bitte!“
Daraufhin erschrak er, drehte sich in seinem Stuhl zu mir um - er trug bequeme weiße Shorts und ein rotes T-Shirt - und fragte perplex: „Was?“
Freundlich wiederholte ich mein Anliegen und präzisierte dabei: „Wenn es nicht zu viel Mühe macht, will ich auch ein Haus hier mit Swimming-Pool, einen Audi Quattro und ein 500.000-Euro-Konto bei der UBS.“
Der Langhaarige runzelte die Stirn und sah mich an wie ein Gespenst, fragte mit französischem Akzent: „Wer hat Sie zu mir geschickt?“
Das durfte ich um keinen Preis verraten, also eröffnete ich ihm: „Durch eine Reihe von Zufällen bin ich selber drauf gekommen.“
„Ihre Forderung ist ziemlich unverschämt.“
„Ich hatte bisher hauptsächlich Pech und will das nun ändern.“ erklärte ich und ließ nicht mit mir handeln.
„Irgendwer muss Ihnen doch die richtigen Codes genannt haben, um zu mir vordringen zu können.“ beharrte er.
„Niemand!“ versicherte ich ihm, während hinter ihm der Computer bzw. das Programm abstürzte, denn am Bildschirm stand ERROR.
„Merde! Jetzt ist die Arbeit von 3 Monaten perdu!“ fluchte er und ich erkannte, dass das nicht Jesus sein konnte, denn er stürzte sich blindwütig auf mich und wir kämpften kurz. Die Jahre vorm PC haben seine Muskeln verkümmern lassen, denn er verlor …. sein Leben. Stöhnend öffnete er den Mund und wollte noch was sagen, doch nur Blut kam heraus. Tja, wen die Götter lieben, lassen sie jung sterben.
Wie von Sinnen zog ich dem Toten, der wie gekreuzigt vor mir lag, das T-Shirt aus und wischte damit alles ab, was ich hier berührt hatte, sogar den Zaun an jener Stelle, die ich überklettert hatte, und steckte noch 4000 Euro ein, die ich in einer Schublade im Schlafzimmer fand. Dann kleidete ich mich noch in seinem begehbaren Schrank neu ein, bevor ich flüchtete. Nie werde ich den traurigen Blick der beiden Hunde vergessen, als ich so unauffällig wie möglich den Tatort verließ. Das dumpfe Gefühl des Reingelegt-worden-seins übermannte mich. Dazu gesellte sich noch eine Paranoia, denn jeden, dem ich begegnete, verdächtigte ich, von meinem Verbrechen zu wissen. Meine alten Sachen und das Putz-T-Shirt ließ ich in einem Abfalleimer am Straßenrand circa 3 Kilometer vom Grundstück verschwinden.
In der Zeitung ‚Le Monde‘ las ich mit meinen dürftigen Schul-Französisch-Kenntnissen 2 Tage später vom Tod des populären Software-Entwicklers Jerome Christian, der Opfer eines Einbruches geworden war. Just an einem Freitag, wo seine Frau immer zu ihren Eltern nach Paris fuhr. Sie fand ihn erst Sonntag mit eingedrücktem Kehlkopf vor. Quelle Malheur.
Er arbeitete für eine weltbekannte Firma. Seinen Posten bekam  ..… ja raten Sie mal. Ich geb Ihnen einige Tipps: er ist mit mir verwandt, er hat sich in mein ohnehin schon armseliges Leben eingemischt, ohne dass ihn jemand darum ersucht hat, er ist immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und er sieht immer zum Kotzen reich aus, der Drecksack. Ach ja, und der Name des Kretins, der beginnt mit H!