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Freitag, 5. Oktober 2012

Warten auf Frau Godot

Es gibt wohl kaum jemanden, der keine Erfahrungen mit chronischen Zuspätkommern hat. Sie haben nicht etwa ein schlechtes Zeitgefühl, zu viel zu tun oder eine miese Uhr, sondern erachten ihre selbst anerzogene Unart als charakteristischen Teil ihrer (verkorksten) Persönlichkeit, die man einfach zu akzeptieren hat, punktum. Auch fühlen sie sich erst enorm wichtig, wenn sie wieder wissen: Juhuu, jetzt wartet schon wieder so ein nützlicher Idiot auf mich! Das ist fürwahr ein himmlisches Gefühl, das auszukosten erst ihr Leben lebenswert macht. Sie fühlen sich dann erst ernst genommen, wenn sie jemandem wert sind, sehnsüchtig  ihrer Ankunft zu harren. Vor allem jene Leute, auf die unter normalen Umständen kein Schwein wartet. Das sehnsüchtige Warten eines Freundes pimpt ihr mickriges Selbstwertgefühl. Auch ich war mit einer solchen Dame befreundet, wo ich wusste, sie kommt mindestens eine viertel Stunde zu spät. Oder eine halbe. Mitunter musste ich sogar eine dreiviertel Stunde auf ihr wertes Erscheinen lauern. 2 Jahre machte ich also ihr Spielchen mit, ohne aufzumucken, um ihr Ego zu streicheln und weil ich gern in ihrer Gesellschaft verweilte. Denn solche Menschen haben natürlich auch einige positive Seiten. Meist sind sehr lustige unterhaltsame Leutchen, oft unfreiwillig komisch. Doch bald überwiegt doch das Negative des Wartens, wenn man nicht so labil ist, sich selber diese Unhöflichkeit des Verspätens und seiner Folgen anzugewöhnen. Dieses schreckliche Hilflos-dabei-Zusehen-müssens wie einem wertvolle Lebenszeit unwiederbringlich zwischen den Zeigern der unbarmherzig weiter tickenden Uhr davon galoppiert. Nun bin  ich ein sehr zuverlässiger pünktlicher Mensch und wollte es fürderhin bleiben. Als ich also wieder einmal pünktlich so da stand, alleine und verlassen in hoffnungsfroher Erwartung auf ihr Kommen in einer U-Bahn-Station, grübelte ich nach, warum ich mich eigentlich weiter zum Hampelmann einer Person machen soll, die eigentlich eine Therapie bräuchte. Weil ich ein gutmütiger Depp bin! wär eine mögliche Antwort gewesen. Ich dachte einst sogar, sie würde mir zuliebe ihre Unart ablegen – wie naiv, mich für so wichtig zu nehmen, dass jemand, der selbst wichtig sein will, auf mich Rücksicht nähme, pah! Geht doch gar nicht –siehe oben – ist es doch ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit wie die Augenfarbe, Körpergröße, und so weiter.
Da stand ich nun wie bestellt und nicht abgeholt - so muss sich ein Hund fühlen, der vor Herrchens Urlaubsreise ins Ausland knapp vor der Grenze ausgesetzt wird und nun an der Autobahn mit hängenden Lefzen steht und treuherzig auf dessen Rückkehr wartet, oder auf die braven Leute vom Tierschutzverein. Mir war kalt, es zog wie in einem Vogelhaus und eine U-Bahn nach der anderen hielt und spie ihre menschliche Fracht aus. Doch keiner der vielen Ausgespeiten kam auf mich zu mit einem Lächeln und das meine verging mir gründlich. Tja, ich fühlte mich wie die beiden Obdachlosen in Beckets berühmtestem Stück, das immer noch das Theater-Publikum weltweit erfreut. Möglicherweise  hatte der große Dichter damals auch die Inspiration dazu, weil er von einer rücksichtslosen Holden immer bei Rendezvous' warten gelassen wurde, bis seine mitgebrachten Blümchen schon verwelkt die Köpfchen hängen ließen. Oh ja, da hatte es wenigstens einen guten Zweck, zu warten. Aber bei mir….Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Luxuskörper und meine Blase meldete meinem Gehirn, dass eine Entleerung knapp bevorstünde- oh Graus! Meine Lippen verfärbten sich schon leicht bläulich und ein reizender Herr erkundigte sich, ob er nicht lieber einen Krankenwagen für mich rufen soll, denn ich sähe so leichenblass aus. Also beschloss ich nach einer dreiviertel Stunde, die ungastliche Stätte zu verlassen und sie anzurufen, um den Grund ihrer Verspätung in Erfahrung zu bringen.
Ja, sie musste halt noch die Katzenkisterln leeren, erklärte sie mir genervt.- Da fühlte man sich gleich auf die geringste Größe zusammen gestutzt. Weniger wert als Katzendreck! Toll!  Und warum das wohl  so lang dauert, fragte ich mich. Aber vielleicht scheißen ihre zwei Viecher so viel wie zwei Elefanten und sie muss mit einer Mistschaufel wie im Tiergarten ihre 60-qm-Wohnung wieder mühsam freispachteln. Vorsichtig versuchte ich nun, ihr nahe zu bringen, dass es für mich sehr unangenehm sei, eine dreiviertel Stunde in einer zugigen U-Bahn-Station auf ihren großen Auftritt zu warten. Bei anderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel Gratisessen und Geldausgabe-Terminen sei es ihr ja auch möglich, zum rechten Zeitpunkt einzutreffen. -Empörte Reaktion! Was mir denn einfiele, sie lasse sich doch von irgendwelchen daher gelaufenen privaten Bekanntschaften nicht aufoktroyieren, wann sie wo zu erscheinen habe und sie wünsche mir, dass ich in Zukunft nur pünktliche Leute träfe. -Das hieß also, sie gab mir aufgrund meiner leisen Kritik an ihrem pubertären Verhalten gleich den Abschied. Eigentlich das Beste, was mir passieren konnte. Wahrscheinlich hätte ich sonst noch einen Kotau bei jedem unserer Treffen machen müssen. In diesem Sinne sage ich ihr nun: liebe Frau Godot, Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, aber Gott-sei-Dank keinen mehr in meinem Terminkalender!

1 Kommentar:

  1. An nun habe ich es durchschaut man muss die Kommentar Einstellungen als Anonym setzen um dir zu schreiben.

    Solch Leute wie bei dir gibt es ja überall, sind durch diese Geschichte aber um einiges besser zu verstehen geworden.lg

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