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Montag, 8. Oktober 2012

Künstler unter sich


Als Künstler und kunstsinniger Mensch werde ich immer mal zu Vernissagen eingeladen, die ich auch gern besuche, sofern sie ein Buffet zu bieten haben. Letzten Samstag war’s wieder so weit, dass ich mich sattessen konnte. Ein Malermeister, geboren 1972 in Hinterstutzing oder wie das Kaff in Oberösterreich sonst heißt, erfolgreicher Autodidakt, stellte seine Werke aus. Werke, bei denen sich Otto Normalverbraucher staunend fragte, wieso man so was überhaupt auszustellen wagte. Es handelte sich nämlich um mit simplen Strichen beschmierte Leinwände. Striche, scheinbar mit bloßen Fingern wirr dahingemalt, von oben nach unten, links nach rechts, hin und wieder quer, als wolle der Schöpfer sein Werk wieder durchstreichen. Naja, Geschmäcker sind verschieden, jedoch grübelte ich, warum so einer vom Staat gefördert wird. Hatten die Angst, dass er wie einer seiner Vorgänger sonst nach Deutschland auswandert und in der Politik mitmischt? Der 3.Weltkrieg war ja eigentlich längst überfällig. Ich sah mir den Künstler während der vom örtlichen Bürgermeister gehaltenen Laudatio an: ein schmächtiges Bürschchen mit blauen Ringen unter den zusammen gekniffenen Augen. Wie ein Junkie, für den er aber irgendwie zu gut aussah, solche Giftler verfallen ja rasch. Der aber wirkte mit seinen 40 Lenzen noch spitzbübisch jugendlich. Auch benehmens-technisch  agierte der Künstler merkwürdig. Seine Mundwinkel zuckten ab und zu, wie von Schüttelkrämpfen gebeutelt. Aber Künstler haben ja oft psychische Kämpfe mit sich auszutragen. Die innere Zerstörung bricht sich Bahn und kommt in ihren Werken zum Ausdruck – manchmal. Der Bürgermeister redete wie ein Hör-Buch und ich wunderte mich, wie man über derart infantile Fingermalkunst so ausschweifend schwadronieren kann. Aber immerhin hat der gute Mann auch die Wahl mit leeren Phrasen gewonnen. Der Künstler zuckte bei verschiedenen Sätzen so, als würde er krampfhaft das Lachen verbeißen und die Zuhörer warteten eigentlich nur auf die Eröffnung des Buffets mit den delikaten Kanapees. Endlich war es so weit und ich konnte tüchtig zulangen. Was soll ich sagen, die Qualität der Brötchen stand zum Glück im diametralen Gegensatz zu jener der Gemälde. Als ich so stand und mampfte, gesellte sich der Künstler plötzlich zu mir und zuckte mir –äh lächelte mir zu. So fühlte ich mich bemüßigt, etwas Lob von mir zu geben. Schließlich aß ich seine Brötchen, und wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing wie’s so schön heißt. „Solche Bilder hab ich wirklich noch nie gesehen!“ fing ich an und blieb so bei der Wahrheit. „Ich schreibe Bücher, z.B. Zivilflug zum Zeitriss, ein Science-Fiction-Roman. Malen Sie auch Portraits?“
Grinsend schüttelte er den Kopf. „Können Sie ein Geheimnis bewahren?“ fragte er  wispernd und zuckte dabei wie üblich.
„Sicher!“  sagte ich und guckte mir schon das nächste Brötchen aus.
Schon beugte er sich verschwörerisch zu mir. „Ich male überhaupt nicht.“
Sehr ehrlich, dachte ich, gleich gesteht er, dass er nur Farbe herumschmiert und sich diebisch freut, dem Bürgermeister ca. 30.000 Euro für die Organisation der Ausstellung rausgelockt zu haben. Doch er gestand etwas anderes: „Mein Vater ist der große Künstler in der Familie. Er malt und schickt mich immer in die Öffentlichkeit. Nichtmal seine Galeristin weiß die Wahrheit und so erspar ich ihm auch die ganze Aufregung, denn er leidet an Agoraphobie, der Angst vor großen weiten Plätzen, öffentlichen Versammlungen, kurz der Angst und dem Ekel auszugehen. Seit 1989 hat er das Haus nicht mehr verlassen. Zum Glück seh ich ihm ähnlich. Keiner hat’s je gemerkt.“
Klar, dachte ich, keiner hat auch je gemerkt, dass der gar nicht malen kann. Allerdings ist einer, der andern solche Bilder andrehen kann, jedenfalls ein großer Künstler.
„Das heißt, Sie sind vor 1989 geboren?“
„1990.“ korrigierte er. „Er hat mich zu Hause unterrichtet."
Aha, offiziell gibt’s den vielleicht gar nicht, dämmerte es mir, irgendwann verscharrt er den Alten im Garten und geht als ewig junger Künstler in die Annalen der Geschichte ein. „Und Ihre Frau Mama kannte er schon vor seiner Ausgeh-Angst?“
„Nein, er annoncierte, er wolle ein Kind und meine Mama meldete sich, weil sie gerade eine Unterkunft suchte.“
Verhältnisse sind das, dachte ich, blieb aber nach außen hin reglos. Nun verwandelte sich sein Zucken in ein Beben der Lippen, sodass ich annahm, er werde gleich vor Rührung weinen. 
„Wissen Sie was? Wie wär es, wenn ich Ihre- äh die Biographie Ihres Vaters schreibe?“ schlug ich vor und rechnete mir schon meinen Anteil am Bestseller aus.
„Geht nicht!“ lehnte er schulterzuckend ab. „Das macht ja schon meine Schwester im Namen unserer Mutter.“

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