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Donnerstag, 8. November 2012

Klassentreffen

Vor nicht allzu langer Zeit stand wieder mal eine Reunion an. Ein Klassentreffen, das ich gern schwänze, denn die lieben Kollegen und-innen von damals werden mir auch mit den Jahren nicht sympathischer.
Aber um Geschäftskontakte aufzufrischen bzw. meine Bücher an den Mann und die Frau zu bringen, kam es mir grad recht. Irgendwie hatte ich aber wieder mal kein Glück und dann kam noch Pech dazu, leider…
Es fing schon damit an, dass ich das komische Lokal nicht fand. Es befand sich irgendwo in den Weiten des 17. Bezirks. Und ich lief mit dem Stadtplan in der Hand wie ein bekloppter Tourist quer durch Hernals. Endlich fand  ich ein mieses Wirtshaus, das so aussah, als stünde demnächst der Abbruch bevor. Der Wirt hatte passenderweise schon eine Abrissbirne am Hals, soll heißen, er besaß einen Schädel wie ein Eckhaus, wie der Wiener zu sagen pflegt. Auf meine Frage nach dem Klassentreffen deutete er sich nur stumm über die Schulter und ich stolperte die Stufen runter in ein Hinterzimmer, wie man es aus zweitklassigen Krimis im ZDF kennt. Unschlüssig setzte ich mich, packte schon mal mein mitgebrachtes Plastiksackerl aus, in welchem sich eine kleine Auswahl meiner gesammelten Werke zum Verkauf bereit befanden. Dann trudelte die Serviererin ein, ein schmuddeliges Mädl mit schiefem Grinsen und Kaugummi zwischen den Zähnen, und fragte, was ich trinken wolle. Am liebsten nix, sonst steht bei mir eine Vergiftung an, wenn ich mich hier so umseh‘, wollte ich nicht sagen und orderte ein Viertel Rot. Nach einer viertel Stunde bekam ich eine Biertulpe mit roter Flüssigkeit drin, die stark nach Alkohol roch, aber nicht die Blume eines Weines verströmte. Nach einer weiteren viertel Stunde rückte der erste Ex-Schulkollege an und zwar ziemlich angeheitert. Es war jener, der das Wirtshaus ausgesucht hatte und erzählte mir gleich, dass er hier einen Mordsrabatt kriegt.
„Schön!“ lobte ich und kam zum Grund meines Hierseins. „Ich schreibe übrigens Bücher, die sich gut verkaufen. Habe hier eine Auswahl-“
„Ich lese nix, außer Speisekarten und das Fernsehprogramm.“ unterbrach er mich abrupt.
Die Servierkraft brachte ihm ungefragt einen Doppler Hausmarke und ein Krügel dazu. Schon schenkte er sich ein und wir saßen circa eine halbe Stunde so da und plauderten über alte Zeiten. An den von mir erwähnten blöden Klassenkasperl konnte er sich nicht erinnern, weil er es selber war und ich ja vermied, seinen Namen zu nennen.
„Wo nur die andern bleiben?“ fragte ich und sah nervös auf die Uhr an der von dicken Rissen durchzogenen Wand.
„Brrrtt, werden schon kommen. Hab leider nicht von allen die neuen Adressen gefunden. Die Weiber haben fast alle geheiratet und neue Namen, die Männer wollen nicht im Telefonbuch stehen, wahrscheinlich, damit sie nicht von Verflossenen und außerehelichen Kindern angepumpt werden.“ erklärte er schon lallend mit den Augenlidern auf Halbmast.
Oder von dir, dachte ich, denn der Penner wirkte total abgebrannt. Er soff wie ein Loch. Der Doppel-Liter leerte sich zusehends.
„Einige haben abgeschagt, hähähäää.“
Schon Böses ahnend, erkundigte ich mich: „Und wie viele haben zugesagt?“
„Eigentlich nur du!“ gestand er und schüttelte sich vor Lachen. „Trink doch, alte Haubitze!“
„Nein, danke!“ knurrte ich zwischen den Zähnen hervor und packte schon meine Bücher wieder ein.
„Aber du musch doch trinken!“ nuschelte er. „Du bezahlscht schließlisch!“
In meiner verständlichen Aufregung weiß ich jetzt nicht mehr, ob er von allein unter den Tisch sank, oder ob ihn doch meine im Reflex ausgestreckte Pranke am Kopf traf, jedenfalls wollte ich so schnell wie möglich abhauen. Bedauerlicherweise wurde ich aber von dem Wirt mit dem Riesen-Plutzer abgefangen, an dessen Seite auch die dauerkauende Kellnerin lehnte.
„Der Herr Loisl hat g’sagt, Se zahln, da is de Rechnung!“
Mit Stielaugen blickte ich auf die Zahl und kreischte: „124 €???“
„Jo freile! Was glaubens, was mir für G’schäft entgangen is. Im Extrazimmer hätten heit de Schachspüler getagt.“
In dem Augenblick kam unser alter Klassenprimus rein.
„Servas!“ begrüßte ich ihn. „Du kommst goldrichtig. Unser Klassenkaschperl liegt zwar schon unterm Tisch, aber wir können uns ja königlich unterhalten.- Bringens no a Vierterl Rot, Fräulein!“
Während ich also mit dem präsumtiven Retter aus meiner Not ins Extrazimmer stolperte, korrigierte der Wirt gleich die Rechnung hinauf.
Da saßen wir nun und der Primus guckte unter'm Tisch nach, ob der Kaschperl noch lebte. Als er kurz an seinem von der Kellnerin servierten Getränk nippte, bot ich ihm meine Bücher zum Kauf an.
„Naja, das Science-Fiction-Buch interessiert mich. Zivilflug zum Zeitriss. Wie viel kostet das?“
„Für dich statt 20 Euro 90 nur 19,90!“ zwitscherte ich und tatsächlich- er machte einen Zwanziger locker, den ich rasch einsteckte. Dann entschuldigte ich mich und schlich mit meinem Sackerl zum Clo. In Filmen gibt es da immer einen Fluchtweg aus’m Fenster, in echt is das Fenster leider vergittert. „Schh….“
Plan B war, unter einem Vorwand das Lokal ungeschoren zu verlassen. Also ging ich zum Ausgang am Wirt vorbei und sagte: „Ich muss nur was aus meinem Auto holen.“
„Wartens, i helf Ihna tragen!“ bot er unverschämterweise an. Scheinbar war er schon gewitzt von andern Gästen.
Draußen guckte ich ein wenig ratlos und rief dann entsetzt: „Huch! MAN HAT MIR DEN WAGEN GESTOHLEN!“
„Oje, net scho wieder de Polizei!“ raunte der Wirt. „Des is so schlecht für's G’schäft.
Ich weiß nicht, was er unter Geschäft verstand, denn bisher waren wir drei Ex-Schulkollegen die einzigen Gäste. Jedenfalls schlug ich vor: „Wissen Sie was? Ich geh zur Polizei und sag, das Auto ist mir 2 Straßen weiter gestohlen worden. Dafür berechnen Sie alles meinen beiden ehemaligen Schulkameraden. Der eine kriegt Rabatt bei Ihnen, wie er mir verriet, und der andre ist stinkreich.“
„Nau guat!“ lenkte er ein. „Was habens denn da drin im Sackl?“
„Meine Bücher, ich schreibe nämlich Kurzgeschichten und Science Fiction. Möchten Sie eines haben?“ fragte ich und fügte noch schuldbewußt hinzu: „Natürlich gratis für Ihre Gastfreundschaft.“
„Na dankschee, so an Schas les i net.“ lehnte er ab und schlurfte wieder in sein verkommenes Lokal zurück.

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