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Samstag, 28. April 2018

SF-Vortrag

Gestern im SF-Club gab der sympathische AHS-Chemie-Professor Georg Pestal einen hochinteressanten Vortrag über Habitate in Science und Science-Fiction. Dieser entstammte einem Uni-Seminar (alte Zeiten lebten in mir wieder auf und ich schrieb alles eilig mit) - es ging darum wie Science-Fiction die Zeit prägt und wie die Zeit von SF geprägt wird. Welche soziologischen Entwicklungen kann man davon ableiten? Die Bilder von den Apollo-Missionen 1969-1972 lösten den Effekt aus, dass man zur Erkenntnis kam, die Erde zu bewahren, anstatt von ihr zu fernen Kolonien auf andre Planeten oder Monde zu flüchten. (Die Harvard-Professorin S. Jasanoff beschäftigte sich mit Image & Imagination, mit Bildern, die die Vorstellungskraft in Gang setzen.)
Das Habitat ist Big Science Technik und kam bereits in großem Ausmaß in den Magazinen der 1920er und 30er-Jahren vor. Es sind Anlagen, die erdähnlich gestaltet und technisch machbar sind. Ein gewisser Herr Potocnic (1892-1929)schrieb schon 1928 unter seinem Pseudonym H. Noordung ein Buch, in welches er sein technisches Wissen (zur Erstellung eines sich drehenden Habitats) einbrachte (also Hard-SF). Damit beeinflusste er schon Wernher von Braun. 1929 wurden die Bernal-Sphären vom englischen Physiker gleichen Namens erdacht, in deren Innenseiten sich Menschen ansiedeln können. Sie kommen in vielen SF-Filmen vor. Wernher von Braun (1912-1977) ließ sich 1952 von Arthur W. Clarke (1917-2008) beeinflussen, als er für die NASA arbeitete und auch im US-TV auftrat.
Der Stanford-Torus löste dann 1975 eine Euphorie aus, beim Ames-Research-Center der NASA überlegte man wie man auf einem Durchmesser von 130 Metern eine erdähnliche Landschaft anlegen kann. Die Materialfrage löste allerdings große Diskussionen aus, wurde in den Zukunftskatalogen der 70er und 80er-Jahre dargelegt. 1976 erschuf der Physiker G.K. O'Neill (1927-1992) dann die O'Neill-Kolonien mit Sonnensegeln und einem wahren grünen Paradies im Inneren des Habitats, welches zu traumhaft erschien. Der Architekt Richard Buckminster Fuller (1895-1983) wiederum glaubte fest daran, diesen Traum realisieren zu können, indem er die stabile Bauweise von Habitaten entwickelte, mit kleinen geometrischen Figuren: 5- oder 6-eckig, die sich gegenseitig halten. Die Archigram-Gruppe in London beeinflusste er beim Städtebau (1965-1969). Der Mensch fand also seine Bestimmung als kosmisch Reisender. Auch die Konstruktion des EPCOT-Centers in Disney-World ist ihm zu verdanken. Er sprach oft vom Space Ship Earth oder vom Mother Ship Earth. Genannt sei auch noch die BIOSPHERE in Montreal für die EXPO.
1972 prägte der SF-Film Silent Running als 1. ökologischer Film die US-Umweltschutzbewegung. Es gab erste Kritik an den teuren Missionen, man sollte doch eher die Erde retten, als zu fernen Welten aufzubrechen! In der Chemie wurden die Fullerene entdeckt - eine eigene Stoffklasse, wofür es 1995 den Nobel-Preis gab. Es gibt Hunderte Vertreter für dieses aktive Forschungsgebiet, auf Deutsch heißen sie Fußballmoleküle, weil auch Fußbälle 5- oder 6-eckige Flächen haben. In den frühen 90er-Jahren startete man BIOSPHERE II, ein Big Science Projekt mit enormer Medienpräsenz und zahlreichen Wissenschafts-Studien (NASA, Smithsonian, ESA), welches glaubwürdig als Mond- oder Marskolonie erschien. Das Projektende des 2. Langzeittests (1993+94) kam früher als erwartet, da Schwierigkeiten (T.C.Boyle schrieb 2016 darüber 'Die Terranauten') auftauchten. (Heute Institut der University of Arizona) Der CO2-Gehalt war zu schnell gestiegen und man musste Luft von außen zuführen, die Ameisen vermehrten sich ebenfalls ungeahnt rasant und auch die menschlichen Interaktionen klappten nicht wie vorgesehen (2 Männer kämpften um eine Frau und einer wurde daraufhin rausgeworfen - primitiv, was?). In Österreich gibt es eine ähnliche Struktur - die Vösendorf-Pyramide (seit 1983) zu bestaunen und in Cornwall seit 2000 das Projekt EDEN, ein Publikumsmagnet, allerdings offen, wegen dem Luftaustausch! Auch der Botanische Garten in Singapur sei noch erwähnt, sowie Astana in Kazachstan.
Es ergeben sich nun die Fragen: Wird es jemals im Weltall gebaut werden? Wie sieht es mit der Dichte, der Wartung, der Reparatur aus und wie mit der Nahrungskette? Was tun, wenn eine Spezies im Habitat plötzlich eine ungeahnte Vermehrung anstrebt, so wie die Ameisen? Setzt sie sich letzten Endes durch? Wie sieht's mit der Abwasserklärung und der Temperatur aus, wie mit dem Klima und der Kontrolle? Wie löst man die Bauphysik, was tun bei Deformation durch den Druckunterschied? Die Fragen der Strahlung und der Finanzierung stellen sich ebenso. Und natürlich die sozial-psychologischen Probleme! Das irrationale menschliche Verhalten ist und bleibt leider unberechenbar.
Funktionieren tun die Habitate nur in der SF: Babylon 5, Ringwelt, Interstellar, Elysium oder in den Games wie Mass-Effekt und Halo.
Am Ende des wunderbaren Vortrags, den ich hoffentlich so wortgetreu wie möglich wiedergab, schürte er noch Hoffnung auf einen weiteren Vortrag, welcher sich dann mit der Dyson-Sphäre und den Hollow-Asteroids (Hohlwelten) und der Niven-Ringwelt beschäftigen wird. Außerdem erwähnte er den OMUAMUA-Asteroiden (welcher ihn an den Roman 'Rendezvous mit Rama' erinnert), denn dieser fliegt gerade durch unser Sonnensystem. Zum Schluss spielte er noch aus Silent-Running den Song von Joan Baez: 'Rejoice in the Sun'
- Freunde, ich kann euch keinen Song spielen, nur meine Bücher empfehlen, in welchen ich auch brauchbare Ideen für ein Leben im All liefere und all die menschlichen Schwächen schildere!

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