Am Wochenende lud mich eine Freundin auf einen Städtetrip nach London ein. Als Lückenbüßer, weil ihr Mann wieder mal einen Dämpfer benötigte. Also konnte ich mir während des Fluges Eheprobleme (die zwei befinden sich im 4.Jahr ohne Kind) anhören. Ööööde! Kleine Auswahl gefällig? „Er trägt nie den Müll runter, lässt den Clo-Deckel immer offen, sitzt nur faul vorm Flat-TV, weigert sich, bei Umdekorations-Arbeiten in der Wohnung mitzumachen, hört mir nie zu, redet nur, wenn ich ihn frage, lässt beim Sex das Vor-und Nachspiel weg,…“ Die Aufzählung ging noch circa eine halbe Stunde so weiter, aber ich hörte dann auch nicht mehr zu. Nächstes Jahr kommt sie wahrscheinlich in die Hunde-Phase, wo sich von Männern enttäuschte Frauen einen Wau-Wau zulegen, der auf’s Wort pariert, die Ohren spitzt, wenn Frauchen labert und auf ihr Heimkommen mit Schwanz-Wedeln reagiert. -Was der feine Herr Gemahl wohl seinen Freunden über sie so erzählt? „Sie verlangt immer niedere Haushalts-Dienste von mir, schwere Möbelpacker-Arbeit, Extra-Sex-Dienstleistungen, textet mich mit banalem Palaver zu, stellt mir Fangfragen, stört meine Freizeit-Aktivitäten,…“ Sicher würde er auch eine halbe Stunde lang über ihre Fehler lamentieren. Aber wenn man schon als Grabstein zum Ausweinen missbraucht wird, (ich hab’s aufgegeben, weise Ratschläge zu erteilen, denn darauf hört man stets: „Das hab ich eh schon probiert, aber es hat nicht geklappt.“ Oder „So wie du dir das vorstellst, geht das nicht, heirate erst mal selber!“ – Ja, blöd werd ich sein!) muss man natürlich immer wissend nicken und an einigen Stellen der Litanei zustimmend „Ich verstehe!“ murmeln. Was soll’s! Um sie auf andere Gedanken zu bringen, erzählte ich von meinen Problemen, worauf sie sagte: „Entschuldige, aber ist der Blick durchs Flugzeugfenster nicht herrlich?“ -In London angekommen regnete es und wir fuhren im Taxi ins Hotel, um uns frisch zu machen und einen Stadtbummel zu unternehmen. – Was macht man, wenn man in London eine Schlange sieht? – Richtig! Man stellt sich hinten an, weil man in Madame Tussauds Wachsfiguren-Kabinett rein will! Vielmehr wollte sie da rein (Ich nicht, denn früher stellte man sich nur im Ostblock um eine Zitrone an, da wollte ich heute nicht wegen starrer wachsüberzogener Starleichen anstehen, gab aber nach, schließlich kostete mich der Kurztrip ja null) und erzählte mir neuerlich von ihres Mannes Unarten, die ich im Flugzeug zum Teil schon kannte, erinnert sich aber auch einiger seiner Versäumnisse, die schon in der Verlobungszeit akut auffielen. „Warum hast du ihn dann überhaupt geheiratet?“ erkundigte ich mich und sie antwortete verlegen: „Naja, ich dachte, er würde sich bessern, und außerdem habe ich keinen andern gefunden, der so gut verdient wie er und mit dem ich’s länger als 14 Tage aushalte.“ – Sehr aufschlussreich! Was er wohl als Motiv genannt hätte? „Naja, ich dachte, sie würde das ewige Nörgeln aufgeben und außerdem hab ich keine andere gefunden, die halbwegs gut aussieht und mich schnell ranlässt.“ -Um sie abzulenken sagte ich, das Alleinsein hätte mehr Vorteile und man könnte sich auch ohne Geld prima amüsieren. Und schon bot sich mir die Gelegenheit, ihr das zu beweisen, denn plötzlich tauchte ein ehemaliger Schulkollege aus der vorbeiströmenden Touristenmasse auf und klopfte mir auf die Schulter. „Jööö, was machst du denn in London?“ -Typisch, dachte ich, da befindet man sich meilenweit von daheim weg und trifft ausgerechnet Leute, die man nie besonders gut leiden konnte und musste ihnen blöde Fragen beantworten. „Was soll ich schon in London machen? Der Queen in den 5-Uhr-Tee spucken, an ihren Palast pinkeln und ihre Wachsoldaten zum Lachen bringen, damit die gekündigt werden!“ - „Hahahaaa, immer noch derselbe Spaßvogel, was?!“ zerkugelte der sich. - „Nein, jetzt aber ganz im Ernst, ich nehme an einem sakrosankten EU-Austauschprogramm (wer seriös klingen will, sollte immer ein schönes unverständliches Fremdwort einflechten!) teil. Statt mir ist jetzt ein besserungswilliger Hooligan in Wien und darf beim Training von Rapid zugucken. Anmeldungen noch bis 5. September im Haus der EU, Wipplingerstraße 1!“ - Staunende Visage beim Gegenüber und die glaubhafte Versicherung: „Toll! Da werd‘ ich mich auch melden! Tschau!“ verabschiedete er sich, ohne dass ich ihn meiner Freundin vorstellen konnte, aber so weit ich wusste, verdiente der Dolm sowieso viel zu wenig, um ihr Interesse erregen zu können. Wir guckten uns also, nach einer Stunde in der Touristen-Klapperschlange, die bekloppten wächsernen Promis an, ich gab hin und wieder launige Kommentare ab, ehe wir in einer Fast-Food-Bude ungesunden Fraß in uns hineinwürgten, da man in einem guten Restaurant mindestens 1-2 Wochen vorher einen Tisch reservieren musste. Die Burger schmeckten genauso besch…eiden wie das Wetter, aber der Hunger trieb’s rein. Nachher schlenderten wir durch den Regen wieder zum Hotel, wobei sie gelegentlich Fotos von Sehenswürdigkeiten per Handy an ihren Alten schickte, damit der auch wusste, was er grad alles versäumte. An der Rezeption angekommen fragte ich den Concierge nach Post, er sah pflichtbeflissen nach, verneinte bedauernd und händigte uns den Zimmerschlüssel aus. „Hast du echt erwartet, dass er dir einen Brief gibt? Vielleicht von deinem Schulkollegen?“ - „Aber nein, du weißt doch, ich kann mich ohne Geld amüsieren und dem armen Lakaien zuzusehen, wie er sinnlos in den Postfächern rumstöbert, entlockte mir ein Grinsen.“ -Oben im Zimmerchen wollte ich mich durch alle TV-Kanäle zappen, aber sie verbot es mir, denn da hätte sie ja gleich daheim beim holden Gatten bleiben können, dessen Lieblingsbeschäftigung das sei. Also zogen wir uns fein an und versuchten in einen dieser angesagten Clubs hinein zu kommen. -Erfolglos! Ich weiß nicht, ob’s an mir oder ihr lag- sie sah aus wie eine aufgetakelte frustrierte Ehefrau, die unbedingt einen draufmachen will- das müssen die Türsteher wohl auch gemerkt haben. Also entschieden wir uns ganz spontan, noch die durch den Regen gereinigte Nachtluft zu genießen und fuhren auf einem Doppeldecker-Sightseeing-Bus durch die nächtliche englische Hauptstadt. Sehr schön, fast so viel unnötige Energieverschwendung wie in New York oder Las Vegas. Ab und zu rief ich während der Fahrt den Einheimischen von oben herab zu: „Enjoy the night, World War III is near!“ Die Blicke, die ich von denen erntete, schwankten zwischen Erstaunen und Entsetzen. Irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass mich meine Freundin wohl nicht mehr so schnell irgendwohin einlädt. -Wieder in der Heimat nahmen wir ein Taxi bis zu ihrer Wohnung und ich ging den Rest des Weges zu mir zu Fuß weiter. Vor dem Belvedere versperrten mir vom Reisebus aussteigende Touristen den Gehweg. Das kannte ich schon, wenn man sie ansprach „Excuse me!“ guckten die nur saublöd und weichten keinen Millimeter von der Stelle. Also bekam ich einen Hustenanfall, der mich leicht in die Reihe der Tuberkulose-Patienten Aufnahme hätte finden lassen. „Ächököchköch-chächächhh!“ Und sofort bildete sich eine breite Schneise in der Meute und eine Dame rief: „Oh my God!“ Dabei fühlte ich mich immer wie Moses, als er das Rote Meer teilte. Wie gesagt, man kann sich ohne Geld prima amüsieren und muss, um Touristen zu foppen, nichtmal verreisen…
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