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Donnerstag, 9. August 2012

Persiflage auf das Traumschiff

Untertitel: Bermuda-Dreieck

Die MS Kieloben dümpelt friedlich in der Ostsee. Kapitän Wolf Larsen- vulgo Meerwolfi- der früher einen Walfänger kommandiert hat, führt das Schiff mit harter Hand (alle Passagiere, die sie ihm drückten, tragen den Arm in der Schlinge) wenn er nicht wieder mal an Migräne leidet und seine Koje hüten muss.
Das Reiseziel ist das Bermuda-Dreieck, doch will man der Aktualität wegen noch zuvor einen Abstecher an den Golf von Mexiko machen, der nun von einer unter dem Ozean sprudelnden Ölquelle, verursacht durch das Unvermögen und die nie versiegende Gier eines bekannten Weltkonzerns, gespeist wird. Einige Greenpeace-Aktivisten tragen T-Shirts deren Aufdruck ‚BP-Nein Tanke!‘ ihre hilflose Einstellung zur Ökokatastrophe zeigt. Am Promenaden-Deck flanieren schön uniformiert die Chefstewardess Heide und der Erste Offizier Sascha auf der erfolglosen Suche nach originellen Geschichten ihrer Passagiere.
Da kommt ihnen behäbig ein älterer Herr mit altmodischem Schnurrbart und Zigarre entgegen, der Peter Ustinov in seiner Rolle als Hercule Poirot ähnlich sieht. Heide lächelt ihn strahlend an und verkündet:„Es tut mir leid, aber an Bord herrscht strengstes Rauchverbot!“
Sascha stimmt ihr zu:„Ich muss Sie bitten, Ihre Zigarre auszumachen, mein Herr!“
„So, müssen Sie das?“ Widerwillig wirft der Herr den Zigarrenstummel über die Reling. „Zufrieden?“
„Nein!“ bedauert Sascha. „Nun muss ich Sie leider wegen böswilliger Meeresverschmutzung dem Kapitän melden.“
„Wie bitte?“ empört sich der Umweltsünder. „Tonnen von Alt- und Neuöl verschmutzen alle sieben Weltmeere und ich werde wegen einer solchen Bagatelle behelligt?“
Heide wiegelt ab:„Nun beruhigen Sie sich doch, mein Herr, der Käpt‘n wird Sie schon nicht so zerquetschen wie die Kartoffeln des Smutjes!“
Beleidigt wendet sich der Herr ab und starrt kurz aufs Meer, um schließlich enttäuscht festzustellen:„Ach da sind wir erst!“
Heide guckt irritiert. „Woher wollen Sie wissen, dass wir genau da sind?“
„Gnädige Frau, ich war schon mal hier. Und zwar mit der Konkurrenz von AIDA!“
„Ach sooo!“ erkennt sie und lächelt wieder.
Nach einigen Smalltalks mit weiteren schön gekleideten Passagieren, die allerdings so belanglos sind, dass sie hier nicht voll wiedergegeben werden (zwei alte Männer reden am Sonnendeck übers Meer, zwei Witwen unterhalten sich beim Friseur über ihre toten Gatten, zwei Studentinnen kichern im Fitness-Salon über ihre Professoren, zwei Bodybuilder über die neuesten Anabolika, drei Teenies vergleichen ihre Stärke im Koma-Saufen, zwei Kinder parlieren in ihrer Kabine darüber, dass Essen der Sex des Alters ist, usw. etc.), kommt starker Nebel auf.
„Wieder schlechtes Wetter, entweder es regnet und regnet und hagelt oder es schneit.“ beschwert sich Heide beim Schiffsarzt Sauerstein, der momentan arbeitslos ist. „Und nun noch diese Waschküche.“
„Hm!“ macht der Arzt. „Was mich mehr betrübt ist, dass kein einziger Passagier bisher meine Hilfe brauchte. Niemand seekrank, keiner Durchfall, kein Herzinfarkt, nicht mal liebeskrank ist einer von den Überprivilegierten.“
„Und wir haben auch noch keinen einzigen Ölfleck am Meer gesehen.“ beschwert sich Heide. „Dabei sind die Hälfte der Anwesenden Katastrophentouristen, die ihrem geregelten langweiligen Lebensablauf entkommen wollen.“
Da taucht der Käpt’n auf. Mit ärgerlicher vollbärtiger Miene drängt er sich zwischen die beiden und mault: „Ich werde den Koch kielholen lassen. Mir hat sein Nachtisch nicht geschmeckt! Und im Salat war zu wenig Essig.“
„Aber Öl hat er genug rein gemacht!“ gibt Heide zu bedenken.
Dr. Sauerstein wippt auf und ab. „Was mag dieser Nebel wohl zu deuten haben?“
„Dass zu viel Wasserdampf über dem Meer kreist.“ erklärt Larsen und lehnt sich locker über die Reling. „Das kommt daher, dass in der Arktis die Eisberge schmelzen.“
„Dann werden wir hoffentlich nicht mit einem solchen zusammenstoßen.“ hofft Heide.
„Vor allem nicht in dieser Region. Wir sind knapp vorm Bermuda-Dreieck!“ verkündet Larsen und zeigt eine Reihe perlenweißer Zähne.
„Wollten wir nicht vorher nach der Ölpest sehen?“ fragt Heide. „Die Passagiere werden enttäuscht sein, wenn sie keine toten Vögel und aufgeblähten Fische erspähen können.“
„Dann sollen sie mal in die Kombüse gehen. Der Koch zeigt ihnen gern welche.“ bellt Larsen ruppig wie immer. Da verzieht sich urplötzlich der Nebel und trotz einsetzender Dämmerung wird ein Riesenschiff mit 4 Rauchfängen sichtbar.
„Oh mein Gott!“ ruft Heide erschrocken aus. „Das ist die Titanic!“
„Tatsächlich, die muss sich total verfahren haben!“ schätzt Sauerstein.
„Das ist nur ihr Nachbau auf Jungfernfahrt.“ klärt Larsen die beiden auf. „Für Filmgedenk-Reisen erschaffen, sinkt sie einmal im Monat.“
Einige Passagiere gesellen sich zu ihnen und umringen den Käpt’n mit rohen Kartoffeln. „Zerquetschen, zerquetschen!“ rufen sie im Chor.
„Schluss mit dem Scheiß!“ befiehlt er unfreundlich. „Wir haben genug Püree!“
Mürrisch zieht er von dannen und lässt die mit Kartoffeln bewaffneten müden Statisten stehen.
„Was sollen wir jetzt mit den Kartoffeln machen?“ fragt einer verunsichert.
„Am besten, Sie bewerfen damit den einfallslosen Drehbuchautor.“ schlägt Sauerstein vor.
„Meine Herrschaften!“ meldet sich der Erste Offizier Sascha zu Wort, der wieder aus der Menge gutgekleideter Passagiere erscheint. „Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf die neueste Touristen-Attraktion namens Titanic II lenken?“
Alle beugen sich in Richtung des imposanten Schiffes.
„In (er sieht kurz auf seine Armbanduhr) genau 5 Minuten versinkt sie. Halten Sie also ihre Film- und Fotokameras bereit!“
Nach genau 5 Minuten sinkt das Schiff spektakulär und alle seine an Bord befindlichen Urlauber springen schreiend eilig in die Rettungsboote.
„Na, die scheinen ja mächtig Spaß zu haben.“ grinst der schicke Erste Offizier.
„Sie wirken sehr echt in ihrer Panik.“ stellt Sauerstein mit Kennerblick fest.
„Wie viele davon werden wir aufnehmen?“ fragt Heide Sascha.
„Keinen. In genau 35 Minuten taucht der Dampfer wieder auf und sammelt seine Schiffbrüchigen wieder ein.“ -35 Minuten vergehen, doch von dem großen Schiff ist keine Spur mehr zu erkennen. Nicht mal Luftblasen steigen auf.
„Oje.“ erkennt Sauerstein. „Da muss etwas schiefgegangen sein, wie es scheint.“
„Das scheint mir auch so.“ bestätigt Sascha. „Aber es gibt Schlimmeres!“
„So? Was denn?“ fragt Heide.
„Wenn ein Hartz IV-Bezieher hier mit an Bord wäre.“
„Oh Gott! Stimmt!“
„Alles fertigmachen zum Kurswechsel!“ brüllt Larsen. Und etwas leiser lässt der belesene Kapitän eine Zeile aus einem Fontane-Gedicht verlauten:“Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand.“
„Fahren wir jetzt näher ran?“ erkundigt sich Heide.
„Nein.“ erklärt Sascha. „Wir hauen schleunigst ab.“
„Warum denn das?“ fragt Sauerstein verblüfft.
„Weil wir nicht genug Verpflegung an Bord haben.“
„Wann kommen wir denn endlich zum Bermuda-Dreieck?“ fragt eine neugierige Passagierin in einem Goldlamee-Abendkleid.
„Demnächst!“ verspricht Heide und murmelt mehr zu sich selbst: „Naja,… Immerhin haben die Leute viel Geld für ein möglichst authentisches Geschichtserlebnis hingeblättert. Da sollte man Ihnen diesen einzigartigen Eindruck nicht kaputtmachen.“ Schulterzuckend wirft sie einen letzten Blick auf die übervollen Rettungsboote…

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