Ein mieser Tag kann mit entsprechender Lektüre noch zu retten sein, klickt euch also öfter bei mir rein!

Dienstag, 7. Mai 2013

Reisen bildet nicht

Heut konnte ich mich gerade noch vorm einsetzenden Platzregen in ein Straßenbahn-Wartehäuschen retten. Dort saß ein älterer Herr und begann ein Gespräch mit mir, im Rahmen dessen er von seinen vielen Reisen erzählte und den Satz fallen ließ: „Reisen bildet ja.“ –„Ach, und was haben Sie auf Ihrer letzten Reise gelernt?“ -Drauf antwortete er: „Ich bin jetzt 75, was soll ich denn noch lernen?“
Dass der Satz von den bildenden Reisen nicht stimmt, erfuhr ich übrigens schon vor einigen Jahren, als mir eine (eingebildete) Dame dasselbe weismachen wollte. Sie sei um die ganze Welt gereist, habe in Los Angeles gelebt und so mindestens ebenso viel gelernt wie ich auf der Uni, behauptete sie. - „Hattest du einen Jetlag?“ fragte ich. - „Jetlag?“ wiederholte sie stupide, denn sie wusste nicht was das war, bis ich es ihr erklärte und sagte dann spontan: „Aha, darum ging es mir so schlecht.“ -Die wusste auch nicht, dass L.A. gar nicht die Hauptstadt von Kalifornien ist, aber vielleicht war Sacramento auch nur in meinem Atlas irrtümlich unterstrichen. Um es ihr deutlich zu demonstrieren, wie unwissend sie sei, fragte ich noch: „Kennst du wenigstens die 6 grundlegenden Emotionen, die auf den Gesichtern der Menschen in aller Welt gleich abzulesen sind?“ -??Fragender Blick einer total Ahnungslosen!??- „Na, wenn du so viel gereist bist, hätte es dir doch auffallen müssen.“ –„Ich kenne natürlich nicht die Fachausdrücke.“ druckste sie herum. –„Emotionen haben doch einfache Namen. Freude, Trauer…“ –„Ach das meinst du.“ –„Und?“ forschte ich unnachgiebig. „Kannst du nun die 4 restlichen nennen?“ –Schulterzucken. -„Furcht, Ärger, Überraschung und Ekel.“ klärte ich sie auf. Aber Einbildung ist ja angeblich auch eine Bildung.
Aber man kann auch abseits von Lehranstalten immer wieder dazu lernen. So musste ich meine Überzeugung, die Vergangenheit wäre starr und unabänderlich, ebenfalls vor Jahren revidieren. Sie ist vielmehr geschmeidig und biegsam wie Knetmasse, in der Erinnerung jener, die sie immer wieder umdeuten, neu bewerten und anders interpretieren. Ich kannte einen jungen Mann, der sich bei mir über seinen Vater ausweinte: „Das brutale Schwein hat mich aus nichtigem Grund mit der Gürtelschnalle verprügelt.“ –Nach Jahr und Tag traf ich ihn per Zufall wieder und er sagte mit Leichenbittermiene: „Mein Vater ist vor kurzem gestorben.“ –Ich wollte ihm schon gratulieren, da fügte er hinzu: „Er war hart aber gerecht!“

Tja, ein Kabarettist hat es einmal vortrefflich auf den Punkt gebracht: „Erinnerungen sind die Wirklichkeit im Sonntags-Anzug.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen