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Montag, 31. Oktober 2016

Warum lesen?

Bildung ist tot, es lebe Bildung! Unter diesem Titel hielt Prof. Dr. Dietrich Schwanitz in der Tele-Akademie einen Vortrag, den er mit schulischen Fehleistungen begann: Die Ureinwohner Ägyptens hießen Mumien! Sie wohnten in 3eckigen Würfeln. Pyramiden sind eine Bergkette zwischen Spanien und Frankreich. Die Griechen kannten 3 Säulen: dorisch, korinthisch und ironisch. Penelope war die letzte Prüfung, die Odysseus zu erdulden hatte. Sokrates starb an einem Becher Schillinge. Da der Papst Ablässe verlangte, wurde Luther an die Wittenbergische Schlosswand gekettet. - Dieser Humor resultiert aus der Kontrastierung von Vertrautheit und Fremden. Als Kind erlebt man sogar den eigenen Körper als fremd und muss sich Kultur erst erwerben. Was sagt uns Sokrates in Zeiten der Datenhighways? Dass Bildung vonnöten ist! Man kann in einem Debattierklub Altes in Zweifel ziehen oder mit dem Argument der Rationalität begründen, was sich verändert hat. Eine Friseurin verfügt über Wissen - z.B. Promiklatsch, mit dem sie ihre Kunden unterhält, welches allerdings unstrukturiert ist und eine schnelle Verfallszeit hat. Schulbildung hat Bestand und ist eine Art Basislager, von dem aus immer Exkurse in andere Wissensbereiche möglich sind, wie z.B. Infos aus den Medien. Um es nicht zu einem Engpass im Gehirn kommen zu lassen, braucht es einen Filter, der zwischen trivialem und bedeutendem Wissen die richtige Selektion trifft. Wieviel Bildung braucht der Mensch? fragte eine Moderatorin, worauf sie Prof. Schwanitz fragte: Wen meinen Sie mit Mensch? Den einzelnen oder die Gesellschaft? Darauf wusste sie keine Antwort. Für den einzelnen mag Bildung nicht so wichtig sein, für die Gesellschaft ist sie enorm wichtig! Man denke an das Gefangenendilemma: 2 wollen ausbrechen, doch der eine verpfeift den anderen, weil er denkt, er kann ihm nicht vertrauen und sich so einen Vorteil verschaffen. So verpfeifen sie sich gegenseitig, obwohl Kooperation besser gewesen wäre. Als Gesellschaft ist es besser zu kooperieren! Bildung ist soziales Kapital und befähigt die Menschheit erst, zu kooperieren. Ist etwas ziemlich einfach, wie z.B. Schlagertexte, Ideologien, Gerüchte, Verschwörungstheorien, hat also keine komplizierten Voraussetzungen, ist die Verbreitung epidemisch schnell und braucht keine Vorbildung. Für komplizierte Inhalte braucht man konstante Bildung, um an wechselnde Aktualitäten anschließen zu können. Und Bildung setzt sich aus Kopierprogrammen zusammen, die sich über die Umwelt verdoppeln. Wenn Regierungen wechseln, muss die Verfassung gleich bleiben. Nimmt man Politik als absolut, wird sie totalitär, nimmt man Wirtschaft als absolut, wird sie zur Ausbeutung! Zur Bildung bedarf es 3 Voraussetzungen:
1. Geschichte- auch das Erlernen der Jahreszahlen, welche sie episodisieren.
2. Kenntnisse der Literatur, welche allerdings nicht zu verordnen sind. Literatur soll zum Lesen verführen. Ein Roman ermöglicht es erst, die Welt aus der Perspektive eines anderen erlebbar zu machen und wird zum Gefühlserzieher.
Literatur macht bekannt mit Verläufen, die nicht linear sind. Für einige Schicksalskonfigurationen dienen Dramen wie Ödipus, Hamlet (für das Dilemma des Intellektuellen) als Möglichkeit der Selbstkorrektur.
3. Begriffe - sie sind theoretische Biotope, Leitwölfe unserer Kultur. Bildung ist nicht nur Wissen, sondern auch Können. Beherrschung der Sprache und deren Sinn! Die thematische Strukturierung, die Regelsysteme der Grammatik und Sinnstrukturen, die Sequenzierung logischer Ordnung der Gedanken wird kontrollierbar. Es kommt zur Ablenkung von der Außenwelt auf die Innenwelt. Zur Konzentration. Für Kinder ist es besser, zuerst zu lesen, bevor man sie vor den TV-Apparat setzt, sonst droht eine schriftlose Bildkultur und es kommt schlimmstenfalls zur Stammesbildung, also zu Gangs.
Bildung wird ja meist unterstellt. Wenn man auf einer Party jemanden fragt: Können Sie mir den 2. Hauptsatz der Thermodynamik erklären, den hab ich nie verstanden? -erntet man großes Erstaunen und die Antwort: Ja, ich auch nicht!
Oder: Ist Van Gogh nicht der niederländische Mittelstürmer, der dem deutschen Torwart die Nase gebrochen hat? -fordert man beim Gegenüber eine Lähmung heraus oder eine Radio-Eriwan-Antwort: Im Prinzip ja, aber es war nicht die Nase, sondern das Ohr, und er hat's nicht dem Torwart gebrochen, sondern sich selber abgeschnitten! Oder: Eigentlich ist der Strukturalismus nur ein verkackter Materialismus. -erntet man ein Geräusch einer Kuh, die zu muhen gedenkt, es sich aber anders überlegt. So ein Gedanke ist derart tief, dass man ihn erst verarbeiten muss. Wer z. B. Musil gelesen hat und bei der Party kommt das Gespräch auf Kafka, muss man nicht auf die Teilnahme daran verzichten. Man kann bemerken: Kafka, naja. Aber ein Robert Musil ist er nicht! - und wird ehrfürchtiges Erstaunen ernten. Bildung unterstützt Normen, die nicht bestritten werden können, sie befähigt auch, Widersprüche aushalten zu können und sie muss immer wieder überprüft werden. - So weit der Vortrag aus dem Jahre 2000, der noch immer aktuell ist. Und nun mein Rat: Lesen, lesen und nochmal lesen. Besonders meine Bücher!

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