Ich antwortete, verwundert über diese indiskrete Frage, nonchalant: „Däumchendrehen!“ und ging meines Weges. Dann aber dachte ich, die hat mich ein paar Mal zum Essen eingeladen, da hätte ich ihr doch ruhig Auskunft geben können, obschon sie meine Umtriebe nichts angingen, aber total seriös verliefen. Also schreib ich nun das Protokoll des gestrigen Tages nieder:
3Uhr02:
Erwache und gehe wegen Blasendrucks zur
Toilette, stolpere im Vorzimmer und schlage der Länge nach hin, wobei ich AUA! Schreie. Verspüre auch beim
Wasserlassen einen brennenden Schmerz, OJE!
6Uhr05:
Wache auf und mache noch im Bett liegend Augengymnastik
und einige Stretching-Übungen, verlasse dann die Schlafstatt und öffne das
Fenster zum Lüften, wasche mich, schmiere mich mit Sonnencreme ein und trinke
einen halben Liter am Vortag abgekochtes Wasser. Dann ziehe ich mich an und
betrachte mich im Spiegel. Alles passt so halbwegs.
6Uhr45:
Verlasse
die Wohnung und gehe in die Trafik um ein Brieflos zu kaufen. Darin steht: Leider kein Gewinn und ich ärgere mich.
7Uhr09: Komme beim
Supermarkt an, der erst um 7Uhr 15 aufsperrt, aber ich schlüpfe durch die (wegen
der Putzfrau) offene Tür und werde vom Filialleiter wieder
hinauskomplimentiert.
7Uhr15: Ich gehe in den
Supermarkt und nehme 1 Liter 1,5 % fetthaltige Milch, die um 50 % verbilligt
ist, sowie 1 Packung Clopapier und lese beim Zeitschriften-Regal, was die
Promis so treiben. Amüsiere mich über deren Cellulitis und Bauchansatz beim
Baden im Meer auf Paparazzi-Fotos.
7Uhr31:
Zahle die
Einkäufe an der Kasse und geh heim, wobei ich die Gratiszeitungen an der
U-Bahn-Station mitnehme.
7Uhr52:
Mache
mir zum Frühstück einen Tee mit Milch und entdecke mit Schrecken, dass meinen
vorgestern um 50 % billiger gekauften Gugelhupf in der Kredenz die Ameisen okkupiert haben.
Wieder ärgere ich mich, weil ich den ganzen Gupf wegschmeißen und die Kredenz
auswischen muss. Der Appetit ist mir vergangen und ich löffle nur ein Joghurt
aus‘m Eiskasten.
8Uhr19: Les die
Gratiszeitungen und lache über einen Salzburger, der seiner Frau im Auto bei
Tempo 180 angekündigt hatte: „Jetzt fahren wir in die Hölle!“
8Uhr57:
Mache
das Bett, schließe die Fenster und putz mir die Zähne, wobei ich wieder mal Blut spucke. Nächster Zahnarzt-Besuch ist überfällig! Dann gehe ich zur Bibliothek, um ins Internet zu
kommen. Dabei werfe ich gleich den Mist weg und tratsche mit der Nachbarin aus dem 3. Stock über die herrschende Hitzewelle und dass es schade ist, sich die Wärme nicht für den Winter aufsparen zu können.
9Uhr38: Am Weg komme ich zu einer roten Ampel, die
ich achtlos überquere. Auf der andern Seite steht eine Kindergartengruppe,
deren Kinder sich alle an einem roten Seil festhalten müssen, wahrscheinlich,
damit keines umfällt. Die Tante rügt mich: „Sie sind ein schlechtes Vorbild für
die Kleinen!“ Einer der Knirpse schreit mich an: „Du Blödian!“ Ich ruf ihm zu: „Gusch
du aufg’stellter Mausdreck!!“
9Uhr44: Ein Wagen mit
Riesen-Abgaswolke fährt an mir vorbei und ich brülle ihm nach: „Dein Vergaser
breeeennnttt!!!!“ und fang zu husten an.
10Uhr01: Bin in der Bibliothek
angekommen, trage mich dort in die Anwesenheits-Liste ein, setz mich vor einen Computer und surfe durchs
Netz, wobei ich auf Wikipedia nachgucke, welcher Promi das Zeitliche gesegnet
hat.
11Uhr06: Ich geh wieder heim,
weil ich Hunger verspüre. Am Weg finde ich 50 Cent und denke: Schade, dass das
nicht öfters mit größeren Beträgen vorkommt.
11Uhr23: Komme beim Deichmann
vorbei und sehe, dass er 3 Paar reduzierte Schuhe zum Preis von zweien
anbietet, also geh ich rein und probiere einige Paare. Leider ist eines zu
klein, eins in der falschen Farbe und für das dritte kann ich mich auch nicht
entscheiden, außerdem hab ich sowieso kein Geld dabei, also geh ich wieder
raus.
12Uhr06: Daheim mach ich mir
eine Dose Pfirsiche auf, schlag mir eine Portion Schlagobers, das ich gestern
um 50% billiger gekauft habe und schmecke: es hat einen Stich, also schmeiß ich
es schweren Herzens weg und esse nur die schlitzigen Pfirsiche, denn die Dose
habe ich gestern aus dem Mistkübel gerettet. Das Ablaufdatum ist total
unleserlich, aber der Hunger treibt‘s rein.
12Uhr17:
Ich gehe
durch den Prater zum English-Kurs ins Donau-Business-Center. Es ist sehr heiß.
12Uhr33: Ich sehe knapp
hinterm Happel-Stadion einen entflogenen Kanari-Vogel, der offenbar aus dem
nahen Stadion-Center, wo eine Tierhandlung ist, entkommen ist. Ich will ihn retten und
lauf ihm circa 10 Minuten hinterher, gebe aber dann entnervt auf.
12Uhr54: Ich komme zu spät (12Uhr 45 Beginn!)an den Kurs-Ort und
der Trainer fragt mich, ob mir schlecht ist, denn ich bin total
durchgeschwitzt, außer Atem und sehe 'terribly' aus. Die Kollegen raten mir, die Rettung
zu rufen, doch ich lehne ab, also
muss ich ein Formular unterschrieben: Rettungseinsatz
abgelehnt.
16Uhr15: Kursende und ich
laufe heim, um zu entspannen. Immer noch heiß.
16Uhr58:
Endlich
daheim, lasse ich lauwarmes Wasser in die Badewanne und setze mich rein. AAAHHH!
17Uhr01: Das Telefon klingelt
und ich ärgere mich, weil ich jetzt aufstehen und nackt sowie triefend nass zum
Telefonapparat schlurfen muss. Da erfahre ich: Falsch verbunden!
17Uhr09: Ich trockne mich ab
und dreh den Fernseher auf. Das übliche Herumzappen beginnt und auf allen
Kanälen spielen sie nur Schrott, worüber ich mich wieder ärgere.
18Uhr45: Bin des Zappens müde
und schalte aus, gehe ins Zimmer, setze mich hin, lege die Füße hoch und
schlummere ein. Träume von dem Kanari-Vogerl, das mir anbietet, meine 3 größten Wünsche
zu erfüllen. Ich wünsche mir-
22Uhr04: Der Nachbar über mir
kommt heim und trampelt wie ein wild gewordener Elefant durch die Wohnung.
Seinen Vorgänger, der noch ärger gelärmt hatte, konnte ich ja delogieren lassen,
will aber nicht schon wieder durchs Haus Unterschriften sammeln gehen. Ich möchte
ihn am liebsten mit einer Elefantenbüchse durch den Plafond erschießen, so wie der
Protagonist aus der Kurzgeschichte Lumwudbada
aus meinem Buch Sehr schrullige Short-Stories.
22Uhr39: Vor meinem Fenster kann so ein Idiot nicht richtig einparken
und lässt den Motor auf jener Umdrehungsgeschwindigkeit laufen, bei der meine
Fenster scheppern wie bei einem Erdbeben. Am liebsten würd ich rausspringen und
sagen: Lassen Sie mich Ihren Kübel
einparken, das geht schneller, sie Nulpe!
22Uhr48: Ich geh zu Bett und hoffe, dass ich ruhig schlafen kann
und wenigstens was Schönes träume, wenn schon mein Leben so miserabel ist.
So, das war’s nun druck ich das
Protokoll noch aus und schmeiß es der neugierigen Nachbarin in den Postkasten.
Eine Tatsache aus deinem Leben ?! ^^ lg
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