Gerichtsvollzieher ist ein nicht ungefährlicher Beruf. Erst vorige Woche wurde wieder einer in Karlsruhe erschossen und vor einigen Jahren wurde einer in Wien bedroht. Nach dem Mord an Frau und Kind warnte ihn der Selbstmörder mit den Worten: „Wenn Sie nicht die vierte Leiche sein wollen, verschwinden Sie!“ – Trotzdem finden sich immer welche, die diese unangenehme Arbeit ausführen wollen. In der Himmelpfortgasse erklimmt der Exekutor Josef ‚Pepi‘ Unwisch die steilen Stufen zur Mansardenwohnung des als Sonderling bekannten Alois Toth. Endlich oben angekommen, klopft Unwisch unwirsch an die Tür vom Toth. Mit vehementer Aufdringlichkeit schreit er durch die geschlossene Tür: „I kumm wegen Ihre Außenstände! Wenn’s net freiwillig aufmachen, lass i de Tür von an Schlosser aufbrechen! Auf Ihre Kosten!" Angespannt horcht er dann und fügt hinzu: „I hear was! Se san daham, stelln’s Ihna net tot!“
Da öffnet Herr Toth schliesslich, der in eine Art schwarzen Kimono gehüllt ist, der aber auch ein Schlafanzug sein könnte. „Schrein’s net so. Jetzt haben‘s mi mitten in an Experiment g’stört! Kommen’s später, i hab grad Besuch.“ Schon will er ihm die Tür vor der Nase wieder zuhauen, worauf Unwisch einen Fuß dazwischenklemmt. „Mi werden’s net einelegn! Se wolln nur g‘schwind Ihre Wertsachen verschwinden lassen! Bei mir net!“ Und schon drängt er sich an ihm vorbei in die Wohnung hinein, in ein karg möbliertes Zimmer, in dem er keinen Menschen erblickt, trotz seiner berufsbedingten Argusaugen. „Da hammas ja! Wo is’n Ihr Besuch? Aus’m Fenster g’sprunga?“
„Naa! De können’s net sehn, nur mit ihna reden. Es is nämlich Besuch aus dem Jenseits!“ Verschwörerisch breitet er seine Arme aus und blickt gegen die Decke.
„Ja, freili! De werden grad zu Ihna kumma. Ausgerechnet!“ Verächtlich winkt er ab und schaut sich suchend um.
„Se glauben mir nicht?“ fragt Toth mehr rethorisch.
„Gehen’s zum Psychiater! Aber vurher zeigen’s mir Ihre Wertsachen, sunst suach i’s!“ droht ihm Unwisch mit einem Killerblick.
„Ich kann’s beweisen. Sehen Sie des Tonbandgerät?“ Theatralisch zeigt er auf den Tisch inmitten des Zimmers, auf dem ein altes Tonbandgerät mit einem Mikrophon steht. Sogleich zückt Unwisch die Plakette ‚Gerichtlich gepfändet‘, welche im Volksmund auch Kuckuck genannt wird, da der Bundesadler (im Volksmund Pleitegeier genannt) darauf prangt, und klebt sie auf das Gerät.
„Viel wert is des zwar net!“ stellt er fest und reibt die Plakette, damit sie besser haftet. „Des Mikrophon is a beschlagnahmt!“
„Damit ist die Zwiesprache mit unsern lieben Toten möglich.“ erklärt Toth geheimnisvoll. „Ich schalte ein und spreche einen Satz drauf, lass das Band ein Stückerl weiterlaufen, spule dann zurück und im Anschluss an meinen Satz hören Sie dann eine Stimme aus dem Jenseits beim Abspielen. Soll ich’s vorführen?“
Unwisch grinst spöttisch. „I bin ganz Ohr!“
„Das müssen Sie auch sein, denn die sprechen nicht so wie wir. Man muss genau hinhören, um zu verstehen. Verstehen’s?“ Er schaltete ein und sagt sanft: „Liebe jenseitige Freunde sprecht!......." Dann spult er das Band zurück und drückt die Play-Taste. Liebe jenseitige Freunde sprecht!bösermannistgekommen
Toth fragt triumphierend: „Hah! Haben’s g’hört?“
„War ja deutlich gnua! Den Satz haben‘s vurher scho draufg’habt!“ verdächtigt ihn Unwisch verächtlich.
Toth schaltet wieder die Aufnahme-Taste an. „Was will der böse Mann?....“
Was will der böse Mann? dirvielwegnehmen
Wieder fragt Toth: „Haben’s g’hört?“
„Viel is gar net zum Holen bei Ihna. Vielleicht im Kasten…“ Neugierig öffnet er den bescheidenen Kleiderschrank neben dem Fenster und durchwühlt ihn. „Lauter mottenzerfressene Lumpen.“
„Se wollen mir allas wegnehma?“ forscht Toth argwöhnisch.
„Darf i leider net. A Bett derf z.B. net konfisziert werden.“
„Glauben’s mir jetzt wenigstens?“ fragt Toth hartnäckig.
Unwisch plärrt störrisch: „Naaa! I bin Realist!“ Und er wühlt weiter.
„I frag jetzt meine Freund, wie Sie heißen! Denn die wissen allas!“ Schon schaltet er wieder ein. „Wie heißt der böse Mann?...“
Wie heißt der böse Mann?pepiunwisch
„Haben’s verstanden, Herr Unwisch?“ erkundigt sich Toth grinsend.
Unwisch hält daraufhin inne und dreht sich zu ihm um. „Des war a Trick!“
Toth schaltet wieder auf Aufnahme: „Wer kennt ihn?...“
Wer kennt ihn?deanita
„Und? Kennen Se a Anita?“
Unwisch antwortet mit hochrotem Kopf schnell: „Naaa, i kenn ka Anita!“
„Se lügen! Se san ja krebsrot in der Visage!“ eröffnet er ihm und zeigt mit dem Finger auf ihn.
Doch Unwisch bleibt beharrlich dabei: „Wenn i sag, i kenn’s net, dann kenn i’s net!“
Toth nimmt wieder sein Tonband zu Hilfe: „Wer bist du Anita?....“
Wer bist du Anita?seitotefrau
„Aha! Se wollen’s net zuageben. So a Zufall, de verblichene Gattin is bei mir zu Gast! Warten’s!- Was willst du ihm sagen, Anita?....“
Was willst du ihm sagen, Anita?iwartaufdipepschi
Nun ist Unwisch kreidebleich und sagt entgeistert: „Des derf net wahr sei!“ Und er tritt einige Schritte zurück, Richtung Eingangstüre.
„Wollen’s selber mit ihr reden?“
„Um Gottes Willen, i bin do froh, dass i ma der ihr ewige Nörglerei nimmer anhurchen muaß!“
Toth ist unbarmherzig. „Wie lange wartest du schon, Anita?...“
„Drahn’s des ooo!“ fordert Unwisch, während Toth zurückspult.
Wie lange wartest du schon, Anita?iholdibaldpepschi
Entsetzt ergreift Unwisch die Flucht. „Naaa! Nur des net!“
Toth ruft ihm nach: „Bleiben’s da!“ Entschlossen rennt er ihm nach.
Vom Toth verfolgt stürmt Unwisch aus der Wohnung - von panischer Angst getrieben, die Treppe hinab, stolpert, stürzt die steilen Stufen hinunter und bleibt nach mehreren halsbrecherischen Purzelbäumen und gellenden Schmerzensrufen lebslos unten liegen.
Oben steht Toth ganz entzückt und stellt beglückt fest: „Jetzt san’s wieder beianander, die zwei Turteltauberl. De Anita wird sich wahnsinnig freuen. I werd's glei fragen!“ Freudig eilt er zurück in seine kleine Wohnung, um den Kontakt ins Reich der Toten wieder herzustellen.
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