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Freitag, 20. Juni 2014

Ich, Sisyphos

Mittwoch traf ich beim Einkaufen zufällig eine ehemalige Nachbarin wieder, bei der ich vor Jahren ab und zu in der Wohnung zu Besuch war. Sie erzählte mir stolz, dass sie nun einen Garten mit Haus ihr Eigen nannte und lud mich spontan für den Feiertag ein. Da ich nix Besseres zu tun hatte, stand ich also Fronleichnam auf ihrer Matte. Ich überreichte ihr mein Mitbringsel, eine Flasche Rotwein, und sogleich hüpfte ihr Hund, ein Rehrattler, an mir hoch und bellte wie verrückt. Aus dem Nachbargrundstück ertönte eine männliche Stimme, die RUHE! brüllte, worauf das Vieh verstummte und ich guckte mich neugierig um. Ihr Garten hatte eine Fläche von ca. 100 qm und davor stand ein kleiner Bungalow, der mir etwas baufällig erschien. Sie verschwand kurz darin und als sie herauskam, hatte sie nicht etwa ein Tablett mit 2 gefüllten Gläsern in Händen, sondern einen Sack Gartenerde. Schon ahnte ich Ungemach.
„Geh, sei so gut und tu die Erde dort in die Rosenbeete!“ forderte sie mich auf und setzte sich auf einen wackligen Campingstuhl, der vor der Haustür im frisch gemähten Gras stand. „Weißt, ich hab mir gestern noch den Rücken verknackst!“
„Jaja!“ sagte ich und füllte die Erde unter die schon verwelkenden Rosenstöcke, deren Duft mich an verfaulte Eier erinnerte. Ihr Hund kam dazu und erledigte gleich seine Geschäfte auf die frische Erde, kurz nachdem ich sie festgetreten hatte. Kaum war ich fertig, stand sie schon mit einem Gartenschlauch hinter mir. „Geh, sei so lieb und gieß das Gras, gestern hat es mir noch ein Freund gemäht.“
„Wie gut, dass du immer so blö- äh liebe Leute findest, die dir helfen.“ bemerkte ich und begann, die Wiese einzuwässern. Sie selber verschwand wieder in die Hütte und ich dachte, dass sie wohl einen kleinen Imbiss für mich vorbereitete. Als sie mampfend wieder erschien, erzählte sie mir von ihren familiären Problemen - der Sohn wäre undankbar und die Tochter hätte sich schon jahrelang nimmer gemeldet - und ich hörte bald an ihr vorbei.
Nachdem die Wiese - gut durchtränkt mit wertvollem Trinkwasser - ein Bild der Idylle bot, rollte ich den Schlauch zusammen und ging in die Hütte. Dort lag sie schnarchend auf einem alten Diwan. Vor ihr stand ein holzwurmiger Tisch, auf dem sich die geöffnete Weinflasche, schon zu 3viertel geleert, befand und ein halb abgeknabbertes Käsebrot, welches ihr Rehrattler zu erhaschen versuchte.
Kurz überlegte ich, ob ich sie aufwecken und an ihre gastgeberlichen Pflichten erinnern sollte, besann mich aber eines besseren, scholt mich noch ob meiner Gutmütigkeit und verließ die Stätte meiner kostenlosen Arbeit. Kaum daheim rief sie mich an und jammerte in den Hörer: „Ja warum hast du mich nicht aufgeweckt, ich hätte uns was zum Essen liefern lassen und wir hätten noch gemütlich die Nachmittagssonne genießen können.“ – Ja, dachte ich, und dann hätte ich wahrscheinlich noch das Dach reparieren und eine Grube für‘n Swimming-Pool ausheben müssen!
„Nein, ich war vom vielen Arbeiten so müde, dass ich eine schlechte Gesellschafterin für dich gewesen wäre.“ erwiderte ich genervt.
„Naja, dann…schau halt wieder mal vorbei, wenn du Zeit hast und dich entspannen willst.“
Und heute regnet‘s! Typisch, nicht nur gratis gearbeitet, sondern wie einst Sisyphos noch umsonst!

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