In einer Bildungseinrichtung des AMS ist es auf der Damen-Toilette zu einem bestialischen Mord gekommen: eine junge blonde Frau liegt blutüberströmt über die WC-Schüssel gebeugt. Als Kommissar Rau eintrifft, hat man die Tote schon umgedreht. Der Gerichtsmediziner Matz hat auch schon die Todesursache festgestellt: „Ein Stich mit einer Nagelfeile mitten ins Herz. Noch nicht lange her, sie ist noch warm. Mit unglaublicher Wucht durchgeführt. Das muss ein Mensch gewesen sein, der dem Wahnsinn sehr nahe ist.“
„Das wäre ich auch, wenn ich meinen Beruf nicht hätte. Wir haben es hier wohl mit einem total desillusionierten Arbeitslosen zu tun, der so verzweifelt ist, dass er bereits die einfachsten Regeln menschlichen Zusammenseins nicht mehr beachtet.“
„Vor allem, wenn er wie hier üblich mit völlig sinnlosen Spielen gequält wird. Die müssen zum 100. Mal den Lebenslauf überarbeiten und sich Binsenweisheiten anhören, nur damit der Kursanbieter etwas Geld vom Steuerzahler für jeden teilnehmenden Arbeitssuchenden erhält.“ wusste Matz und winkte den Sargträgern, die Tote abzuholen.
Rau fragte die Kursleiterin, Frau Jesch, die ziemlich blass um die Nase mit schwarzgefärbtem Haar, fast wie ein ältliches Schneewittchen, dastand. „Wer hat denn die arme Frau gefunden?“
„Unsre Putzfrau, ich hab sie schon heimgeschickt. Die Tote war unsre Personalberaterin Frau Pamela Zynid. Sie war verantwortlich für die 4 Damen im Team 6 und hat mit jeder schon ein langes Gespräch geführt. Sehr schwierige Damen.“ erklärte die zitternde Jesch.
„Zeigen Sie mir einen Raum, wo ich mit einer nach der anderen reden kann, aber sagen Sie ihnen nicht, worum es geht.“ ordnete Rau an.
In einem kleinen Büro saß Rau der ersten Verdächtigen gegenüber.
„Mein Name ist Pok und ich frage mich, was ich jetzt schon wieder erzählen soll.“ begann sie genervt. „Dauernd will wer was von mir.“
„Nur ganz kurz: was halten Sie von Frau Zynid?“ fragte Rau und notierte den Gesprächsschwall, der nun kommen sollte.
„Ich habe mich bereits beschwert! Diese total zugeschminkte eingebildete Figur ist doch total ungeeignet für den Job hier. Die behandelt uns, als seien wir hier in Geiselhaft. So eine Frechheit! Man sagte mir, die sei durch ein Studium befähigt und behandle andere mit Wertschätzung. Dass ich nicht kichere! Die einzige Befähigung, die das dumme Trutscherl hat, ist die einer Maskenbildnerin, wie man an ihrer Maquillage unschwer erkennen kann. Und mit Wertschätzung behandelt die nur ihr Spiegelbild. Soll sie doch den Beruf wechseln, dann kann sie zwar mit ihren Klienten nicht mehr so diktatorisch umspringen wie mit uns, verdient aber mehr, und das Geld ist doch das Wichtigste für so eine oberflächliche blöde Person, nicht wahr?? Und haben Sie schon bemerkt, wie dreckig es hier überall ist? FURCHTBARR!! Ich leide hier entsetzlich, denn ich bin sehr empfindlich und außerdem-“
„Frau Pok, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber ich bin von der Polizei und nicht vom AMS. Frau Zynid ist gerade ermordet worden.“
„Nicht schade um sie, das muss ich schon sagen. Wer immer es war, wenn ich Geschworene bin, kriegt er von mir einen glatten Freispruch!“
„Jaja, aber momentan sind SIE verdächtig!“
„Frechheit, ich werde mich über Sie auch beschweren. Geben Sie mir Ihre Dienstnummer!“
„Waren Sie heute auf der Toilette?“
„WAAAS? Nein, natürlich nicht, ich gehe so ungern auf fremde Toiletten, überhaupt hier, wo alles vor Dreck nur so strotzt! Ist es Ihnen denn gar nicht aufgefallen? Wie sieht es denn bei Ihnen zu Hause aus???“
Da Rau erkannte, dass mit dieser Frau nicht gut Kirschen essen ist, entließ er sie und bat sie noch, ihm die nächste Kursteilnehmerin zu schicken.
Frau Till wirkte wie eine liebe Handarbeitslehrerin und lächelte ihn an. „Was soll ich über andere schlecht reden. Diese junge Dame ist mir sofort unsympathisch gewesen. Sie roch so stark nach penetrantem Parfum, dass es mir in ihrer Nähe den Atem verschlug. Auch fachlich scheint sie mir sehr fraglich. Sie verstand gar nicht, was ich ihr alles mitteilte, dabei hat sie mich oft gar nicht angesehen, sondern spielte währenddessen mit ihrem Handy herum. Hat wahrscheinlich nachgesehen, ob sie Nachricht von ihren Galanen bekommt.“
„Das kann sie nun nicht mehr, denn sie ist tot.“
„Oh, ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut. Wer sich so tussig benimmt, fordert oft sein Schicksal selber heraus.“
„Waren Sie heute auf der Toilette?“
„Ich wüsste nicht, was Sie das was angeht.“ stellte sie schnippisch fest.
„Weil Frau Zynid dort erstochen wurde.“ entfuhr es Rau, schon sehr zornig.
„Das kommt davon, wenn man sich nicht benehmen kann, dann wird man abgestochen wie ein Schwein. Fragen Sie doch die Männer in unserm Kurs, 20 an der Zahl und alle haben Stielaugen bekommen, wenn die vorbeigewackelt ist.“
„Ich heiße Wank!“ stellte sich die nächste in der Verdächtigen-Runde vor und auch sie beantwortete die Frage von Rau nach der Ermordeten negativ. „Diese Dame hat auf meine Beschwerde gesagt, dass es hier Platz genug gäbe. 57 Quadratmeter, aber das stimmt nicht. Es sind vielleicht 57 Kubikmeter, auf denen wir alle 25 eingepfercht sind. Und nichtmal ein Fenster kann man öffnen. Die Luft ist so stickig, ich leide nämlich an Asthma. Aber das interessiert dieses Fräulein ja gar nicht.“
„Frau Zynid ist tot!“
„Erstickt?“
„Nein, erstochen!“
„Hmm, traurig. Tut mir leid, aber die Haare waren das Schönste an ihr. Blondgefärbte Locken, wie das Nürnberger Christkindl sah sie aus. Welche Ironie der Geschichte, dass sie auch genauso sterben musste, wie einst Kaiserin Sisi mit ihren schönen Haaren, die von Luchesi mit der Feile erstochen worden ist.“
„Er hieß, so weit ich weiß, Lucheni.“ korrigierte Rau ausatmend.
„Auch gut! Also nein, ich war nicht auf der Toilette, weil ich so wenig trinke.“
Die nächste Verdächtige hieß Zink und warf ihm einen feindseligen Blick zu. „Worum geht’s denn nun? Welches hirnrissige Spielchen veranstaltet man denn jetzt mit uns? Ich frage mich, wer sich sowas immer ausdenkt. Es soll jemand abgemurkst worden sein?“
„Woher wissen Sie das?“
„Ein Kurskollege hat mit der Putzfrau gesprochen, die ganz hysterisch war. Die hat ihm erzählt, sie hätte eine Tote gefunden?“
„Ja, Frau Zynid!“
„Kein Wunder, dass der jemand den Hals umgedreht hat. Mir wollte die weismachen, sie hätte einen Job im Kunstbereich. Pah, die hat so wenig so einen guten Job zu vergeben, wie ich Geld in der Schweiz! Die war so aufgeputzt wie wenn sie zum Opernball wollte. Der hat nurmehr das richtige Ballkleid gefehlt. Mit einem Abend-Makeup vor Arbeitslosen zu sprechen ist direkt provokant. Wollte die sich gar über uns erheben?“
„Waren Sie auf der Toilette?“ erkundigte sich Rau.
„Ja, ich musste mich übergeben, da die Räume derart schmutzig und stickig waren. Ich habe schon die ganze Woche Spannungs-Kopfschmerz, aber das kümmert ja keinen hier. Das nächste Mal speib‘ ich denen aber direkt vor die Füße, das können Sie mir glauben!!“
„Ist Ihnen auf der Toilette was aufgefallen?“
„Nein, das heißt, es war dort verhältnismäßig sauber, bevor ich gekotzt habe.“
Frau Jesch erschien nach Frau Zink und wollte wissen, ob er schon einen Verdacht habe.
„Oh ja," fiel Rau auf, als er seine Notizen überflog, "sie hat sich verraten.“
WER WAR ES???
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