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Mittwoch, 20. Februar 2013

Frau Wichtig

Gestern stand ich schutzsuchend in einem Wartehäuschen und wartete, bis das Schneetreiben erträglicher wurde. Da hörte ich, wie eine Dame einem Herrn das Geheimnis ihrer langen Ehe offenbarte: „Frau muss sich nur immer dümmer stellen als Mann und schon klappt es bestens.“ Drauf erwiderte der Herr: „Na, das geht wenigstens, aber sich gescheiter zu stellen geht nicht.“
Das ist ein Irrtum, wusste ich, denn als ich vor Jahren noch jeden Mittwoch den Club logischer Denker besuchte, wurde ich diesbezüglich eines besseren belehrt. So um 19 Uhr traf man sich im Extrazimmer eines Lokals, plauschte mit den Mitgliedern und andern Gästen, von 20-21 Uhr hielt jemand Kundiger einen Vortrag ab und von 21-22 Uhr gab es eine Diskussionsrunde dazu. Nun fiel mir eine Dame auf, die immer durch geschliffene Sprache und (scheinbare) Sachkenntnis im Gespräch mit anderen brillierte, sich aber bei der Diskussionsrunde vornehm zurückhielt. Mich wunderte noch, dass Frau Wichtig, die scheinbar immer alles so gut weiß, nicht ab und zu ihren Senf dazugeben will. Als mir nun eines Tages eine Freundin riet: „Kauf dir am Mittwoch die FAZ, darin sind immer so gute Beilagen über Wissenschaft, Technik und so weiter. Das hilft dir sicher bei deinen Kurzgeschichten.“ – Und so kaufte ich mir nächsten Mittwoch die Frankfurter Allgemeine Zeitung und studierte sie aufmerksam, bevor ich abends in den Club ging. Frau Wichtig schwang wieder eines ihrer Referate und siehe da: mir fiel auf, dass es sich dabei um die genaue Rezitation eines langen Artikels der FAZ handelte! Allerdings schwang sie ihre Rede so, als wäre all die Erkenntnis, die sie da von sich gab, allein auf ihrem Mist gewachsen. Also meldete ich meine Bedenken an: „Interessant! Genau das, was Sie da sagen, steht heut in der Frankfurter Allgemeinen drin. Sogar wortwörtlich!“ – Sie stutzte wie beim Diebstahl ertappt. Irgendwie hatte sie ja auch Plagiat begangen, wenn auch nicht so wie einige Schriftsteller, die einfach aus dem Internet von zahllosen Blogs kopieren und sich dann von der Kritik als Wunderkind feiern ließen. Und ich legte (auf Verdacht) noch eins zu: „Und das, was Sie vorige Woche verlautbarten, stand in der Ausgabe von voriger Woche.“
Sie schluckte sichtbar und entschuldigte sich, denn sie müsse jetzt dringend auf die Toilette und entschwand - wohl um ihre Schamesröte abzupudern - und tauchte erst klammheimlich wieder auf, als der Vortrag schon begonnen hatte. Die nächsten Wochen achtete sie immer darauf, sich so weit wie möglich von mir weg zu setzen. Also mein Tipp für Trottel, die sich profilieren wollen: einfach in einer guten Zeitung einen Artikel auswendig lernen, dann in Gesellschaft die Sprache auf’s betreffende Thema bringen und ungeniert lospalavern, was der Journalist vielleicht in monatelanger harter Arbeit zusammengetragen hat. Und natürlich hoffen, dass keiner dessen aktuellen Artikel schon kennt….

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