Am Tag der Liebenden hätte Jumbi, alias Jurek Bimski eigentlich was anderes zu tun gehabt, als mit seinem Chef, Kommissar Rau, durch die Gegend zu kutschieren, um wieder mal den Mörder einer Leiche ausfindig zu machen.
„Nun schau nicht so traurig!“ forderte Rau und fügte noch missmutig hinzu: „Liebe ist nix andres als eine psychische Störung.“
Gern hätte Jumbi widersprochen, aber das tut man nicht, wenn man befördert werden will. „Wohin fahren wir denn so schnell, dass wir bald eine Zivilstreife am Hals haben werden?“
„Nach Baden. Aber nicht, um ins Casino zu gehen. Eine Dame ist erschossen worden. Die hätte sich den 14.Feber sicher auch anders vorgestellt.“
„Tja, die Liebe kann leider auch in Hass umschlagen.“ wusste Jumbi und schwang sich aus dem Wagen, den Rau vor einem schmucken Einfamilienhaus geparkt hatte. „Na, arm war die nicht.“
„Auch Reiche haben ein Anrecht auf Leben!“ ermahnte ihn Rau und ging voran ins Haus, wo schon Matz mit der Spurensicherung werkte.
Matz zeigte auf die weibliche Leiche in einem Whirl-Pool voll Blut. „Die Frau hieß Wilma Winter. Zwei glatte Durchschüsse in der Herzgegend. Die Putzfrau fand sie und ich denke, da war sie schon mindestens 3 Stunden tot. Das heißt, der Mörder muss sie um kurz nach 12 Uhr getötet haben.“
„Vielleich war er sauer, dass das Essen noch nicht fertig ist.“ scherzte Jumbi und fing sich einen sehr kritischen Blick seines Chefs ein. „Tschuldigung.“
Rau guckte aus beruflicher Neugier in alle Schubladen und fand bald in der untersten ein samtrotes Tagebuch, in dem auf der ersten Seite stand: Mein geheimes Manifest, -aus welchem leider die letzten Seiten herausgerissen waren. Mit behandschuhten Händen blätterte er es durch, überflog die Zeilen und sagte dann: „Nur das Übliche.“
„Liebeskummer?“ fragte Jumbi.
Rau las vor: „10. Februar: meine Friseuse sagte den Termin ab und ich musste einen andern Salon aufsuchen. 11. Februar: bin mit meiner neuen Frisur überhaupt nicht zufrieden. Der Salon sieht mich nie wieder.“ 12. Februar: Kegel hat mich zweimal angerufen. Dieser Idiot beginnt mich zu nerven.“
„Schätze, dann können wir ihn ausklammern aus dem Verdächtigen-Kreis.“
„Falsch, Jumbi!“ konterte Rau. „Wer weiß, der Kerl dachte, er sei besonders schlau, wenn er die letzten Seiten rausreißt und absichtlich eine mit seinem Namen drin belässt.“
Hmmm, der hat vielleicht eine Laune, dachte Jumbi, der inzwischen in der Handtasche der toten Frau deren Handy nach der Telefonnummer von diesem Kegel durchsuchte. Natürlich auch mit Handschuhen. „Da haben wir ihn schon. Der wohnt in der Nähe des Casinos. Auch kein Armer. Sie hat übrigens keine Nachrichten mehr bekommen seit gestern. Da rief ein gewisser Strnad an.“
„Gut, dann fahren wir erstmal zu diesem Kegel!“ bestimmte Rau.
Im Haus von Kegel öffnete dessen Haushälterin und führte sie in sein Wohnzimmer, wo er - ein richtiger Couch-Potato - vor der Playstation saß und ein Ego-Shooter-Spiel spielte. „Was kann ich für Sie tun?“
Jumbi wollte schon etwas sagen, hielt sich aber vornehm zurück, denn er wollte nicht schon wieder in ein Fettnäpfchen treten.
„Kennen Sie eine Frau Winter?“ begann Rau und sah sich Kegels Reaktion an.
„Ja sicher, Wilma und ich sind fast verlobt. Ich muss nur noch einen schöneren Ring für sie finden, denn der erste, den ich ihr anbot, hat ihr nicht gefallen.“ beantwortete er ausführlich die Frage, während er ungerührt weiterspielte.
„Dann habe ich eine traurige Nachricht für Sie. Frau Winter ist tot.“
„Nein!“ sagte Kegel und ließ sein Spielzeug sinken. „Wie?“
„Ermordet!“
„Das kann nur mein Rivale sein, dieser, dieser-“ stammelte er.
„Strnad!“ half ihm Jumbi.
„WER? Strn-? Nein, ich meine diesen widerlichen Menschen, dessen Name mir nicht- ah ja, jetzt weiß ich’s wieder: Kulik! Harry Kulik heißt die Sau. Nur der kann es gewesen sein.“
„Was macht Sie so sicher?“ erkundigte sich Rau.
„Weil der in einer Unterliga spielte. Verstehen Sie, Wilma war eine sehr exklusive Dame, da kann man nicht kommen und sagen: ja, ich bin zwar reich, aber ich habe grad kein Geld flüssig.“
Jumbi durchforstete die Nummern im Handy der Toten und fand einen Kulik samt Adresse in Wien. „Aber richtige Beweise haben Sie keine gegen ihn?“
„Was wollen Sie denn noch? Ein Foto vom Tathergang?“ empörte sich Kegel. „Ich habe seit gestern das Haus nicht mehr verlassen, da können Sie meine Haushälterin fragen, weil die schwört jeden Eid auf mich!“
„Davon bin ich überzeugt.“ sagte Rau und verließ mit Jumbi das Haus. „Der heißt Kegel und sieht eher aus wie eine Bowling-Kugel.“
„Der war gut, Chef!“ lobte Jumbi, der schwarzen Humor liebte. „Übrigens wohnt dieser Strnad auch in Wien, sogar im selben Bezirk wie Kulik. Im 4.“
„Dann geht gleich alles in einem Aufwasch.“ freute sich Rau.
In Kuliks Wohnung herrschte das Chaos. Überall dreckiges Geschirr und Schmutzwäsche quer durch die 50-qm-Wohnung verteilt. An den Fenstern keine Vorhänge, dafür einige Spinnweben und auf den Fensterbrettern 2 verdorrte Topfpflanzen. „Nein, das kann nicht sein, ich war doch gestern noch bei ihr!“
„Hatten Sie Streit?“ forschte Jumbi.
„Neiin! Ich wollte sie heut abends mit einem Leihwagen abholen und groß ausführen.“ murmelte er und es zeigten sich sogar Tränen in seinen Augen.
„Was sind Sie von Beruf?“ wollte Rau wissen, der bezweifelte, dass Kulik das Geld für den Leihwagen oder die Restaurant-Rechnung besaß.
„Schauspieler, ich bin erst seit 3 Wochen aus Hollywood zurück. Meine letzte Gage wurde mir noch nicht überwiesen. Wilma war so großzügig und lieh mir ein paar hundert Dollar-äh Euro. Wissen Sie, ich lebte einige Jahre in L.A. und muss mich hier erst akklimatisieren.“ Ziemlich mitgenommen sammelte er einige Kleidungsstücke auf und warf sie auf einen Haufen. „Wenn ich das Geld schon hätte, wäre ich längst in Baden und wir würden zusammen ‚Happy Valentine‘ feiern. Aber sooo…muss ich noch auf den Geldbriefträger warten.“
Jumbi wollte noch erwähnen, dass er sicher noch länger warten müsse, hielt aber seinen Schnabel und verließ mit seinem Chef die heruntergekommene Bleibe, um zu Strnad zu fahren, der vier Straßen weiter wohnte in einer sehr schönen Wohnung. Er öffnete ihnen in einem schönen schwarzen Anzug.
„Das hätte ich mir eigentlich denken können, dass sie bald so endet.“ sagte dieser wenig überrascht von der Todesnachricht. „Ich war das vorige Jahr einige Monate mit ihr fix zusammen und es lief immer wieder drauf hinaus, dass sie irgendwelche Abenteuer suchte. Aber ich verstehe das. Sie langweilte sich in dem ganzen Reichtum und da kam-“
„Kulik!“ setzte Jumbi fort.
„Wer?“
„Kulik, der Hollywood den Rücken gekehrt hat.“
„Nein, nicht dieser Schmierenkomödiant. Der hat’s in Hollyschutt zu nix gebracht und hat hier eine Melkkuh gesucht. Wissen Sie, wie der sich in Amerika genannt hat? Harry Killroy! Das arme Schwein dachte, dass sich die Amis von dem Namen und seiner Hühnerbrust beeindrucken lassen. Da hat er sich aber geschnitten. Der schaut doch aus wie ein Hausbesetzer nach dem letzten Polizeiräumungsbefehl! Ein armes Würstchen, das unter Realitätsverweigerung leidet. Nein, ich meine diesen Fettwanst, diesen Kegel. Der nahm sie immer mit zum Wettschießen in seinen Schießclub, dann hat er sie noch eingeladen zu Wochenend-Flügen nach Paris, London und so weiter.“
„Und das hat Sie wohl geärgert.“ stellte Rau fest.
„Sicher, aber nicht aus Eifersucht, ich wusste ja, dass ihr dieser feiste Fresssack bald fad wird.“ behauptete Strnad siegessicher. „Und wie sie mir erzählt hat, vorgestern glaub ich, hat sie ihn auch abserviert. Steht sicher auch in ihrem Tagebuch. Wer weiß, vielleicht hat er einen Killer auf sie angesetzt und sssst!“ Er fuhr sich mit dem Daumen über die Kehle und deutete einen Schnitt an. „Tja, jetzt kann ich daheim bleiben, denn ich wollte eben zu ihr fahren, um sie zu überraschen.“ Langsam zog er sich sein Sakko aus. „Sie wird mir fehlen, auch wenn sie eine Kanaille war.“
„Das ist ja ein Herzchen.“ sagte Rau auf der Fahrt zurück zu Kegel nach Baden. „Aber wenn dieser Kegel in einem Schießclub war, könnte er Zugang zu einer Schusswaffe gehabt haben.“
„Oder aufgrund seines Geldes wirklich einen Killer angeheuert haben.“
Vor dem Grundstück der Toten sahen die beiden tatsächlich Kulik aus einem Auto steigen, dieser guckte wie ertappt, als er deren Blick auffing.
„Was machen Sie denn hier?“ fragte ihn Jumbi.
„Well- ich wollte sie noch einmal sehen.“
„Sie ist längst im Leichenschauhaus. Was wollen Sie wirklich hier?“ forschte Rau. „Und woher haben Sie den Wagen?“
„Es ist Wilmas Wagen, sie hat ihn mir geliehen und ich wollte ihn hier abstellen, damit Sie mich nicht verdächtigen, ihn gestohlen zu haben.“ gestand Kulik. „Trotzdem würde ich sie noch gern ein letztes Mal sehen. Sehen, ob sie noch Symptome der Schönheit an sich hat, die mich doch sehr an sie banden.“
„Jetzt werden Sie nicht melodramatisch!“ warnte ihn Jumbi. „Sie haben sich Geld von ihr geliehen, und als sie es zurück haben wollte, haben Sie sie-“
„Nein, ich hätte ihr nie ein Haar gekrümmt!“ schrie er ihn an.
„Jetzt lassen Sie mal diese kitschigen Filmzitate!“ empfahl ihm Rau. „Es ist gar nicht nötig, uns den Unschuldsengel vorzuspielen. Wir wissen, wer es war.“
„Ach?“ fragte Jumbi ratlos, der den entscheidenden Hinweis überhört hatte.
WELCHEN?
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