Lösen Sie den Fall des toten Patienten
Als Kommissar Rau am Telefon die Stimme einer alten Freundin hörte, erhellte sich seine sonst so düstere Miene. „Claudia, was verschafft mir die Ehre deines Anrufs?“„Eine Katastrophe, ein Freund von mir liegt tot im Spitalsbett und der Krankenschwester ist das noch nicht einmal aufgefallen!“ schluchzte sie herzzerreißend. „Bitte komm schnell ins AKH!“ Rau hatte Schwierigkeiten die Abteilung und Zimmernummer zu verstehen, raste aber sofort im Dienstwagen hin.
Nach kurzer Suche fand er sie in einem 2-Bett-Zimmer neben dem besagten Freund, der aussah als schliefe er nur. Tröstend nahm er sie in die Arme und fragte: „Erzähl mir ganz ruhig, was passiert ist.“ Dann drückte er sie sanft auf den Besucherstuhl zurück, auf dem sie Totenwache gehalten hatte.
„Ich kam um 10 Uhr rein und fand Pedro so. Als ich ihn aufwecken wollte, fühlte ich, dass seine Stirn schon kalt war. Das ist ein Skandal! Aus dem AKH kommt man nur lebend raus, wenn man George Michael heißt!“ wisperte sie und tupfte sich die Tränen ab. „Sein Bettnachbar ist auch verschwunden oder haben sie den auch schon um die Ecke gebracht!“
"Hat Pedro einen Herzschrittmacher gehabt? Ich hörte, dass man diese Dinger ganz leicht hacken kann."
"Nein!" schüttelte Claudia energisch den Kopf.
Rau sah sich im Zimmer um - im Abfalleimer fand er eine leere Phiole Ambene, was bedeutete, dass der Tote oder sein Bettnachbar eine Spritze bekommen haben musste. Ein starkes Schmerzmittel, das sich auf Leber und Galle schlug, wie er wusste. „Und du hast nicht auf die Klingel gedrückt, um die Schwester zu rufen?“
„Nein, das ist doch sinnlos. Der arme Pedro hat sich ins falsche Spital einliefern lassen oder hat keinen Platz in einem guten bekommen. Er war eben nur ein bedeutungsloser Kassenpatient!“
Da wurde plötzlich die Tür aufgerissen und ein dicklicher Herr im Spitals-Nachthemd schneite herein. „Nanu, gleich 2 Besucher für meinen lieben Freund. Hat der ein Glück! Mich besucht nicht mal ein halber!“
"Sie sind der Bettnachbar von Pedro?“ vergewisserte sich Rau.
„Genau! Mein Name ist Anton Topf. Der schläft heut aber fest, sonst ist er um die Zeit schon munter und motzt herum.“ erklärte der Herr und setzte sich auf sein Bett. "Grund genug hätte er ja. Der Schlangenfraß hier ist ungenießbar!"
„Wann sind Sie denn aufgestanden?“ fragte Rau.
„Och, schon um 8 oder kurz danach.“ sagte er ruhig. „Übrigens, das Frühstück hat er nicht angerührt, also hab ich’s für ihn vernichtet.“ Dabei klopfte er sich auf seine Wampe und grinste. "Lieber den Magen verrenkt als der Küche was geschenkt."
„Also Moment mal!“ mischte sich Rau ein. „Die Schwester brachte das Frühstück und weckte- bzw. versuchte gar nicht ihn aufzuwecken?“
„Sie haben keine Ahnung von dem Sau-Betrieb hier. Da gibt’s keine Nettigkeiten. Da wird man wie ein Häftling abgefertigt. Tür auf, Frühstück auf das Nachtkastel, Tür zu. Später Tür auf, Tablett abservieren, Tür zu- fertig.“
„Und wer hat ihm die Spritze verabreicht?“ erkundigte sich Rau und zeigte ihm die Phiole.
„Keine Ahnung! Fragen Sie doch Elga!“ antwortete Topf.
„Und ist diese Elga noch die Nachtschwester?“ hakte Rau nach, worauf Topf zu lachen anfing.
"Hahaha-auauau!“ stöhnte er dann und hielt sich den Bauch. „Ich wurde vorgestern operiert und darf nicht lachen, weil mir das wehtut.“
Die Tür wurde erneut aufgerissen und herein kam diesmal eine Schwester mit einem Gesicht, das aussah, als hätte sie gerade erfahren, dass all ihr Hab und Gut zwangsversteigert worden ist. „Herr Topf! Sie sollten doch nicht lachen!“
„Ich bin dienstlich hier und möchte Schwester Elga sprechen!“ forderte Rau.
„Wen? Sie meinen doch nicht etwa die Elektronische Gesundheitsakte, von der sich so viele schon abgemeldet haben?“ grinste die Schwester mit Seitenblick auf Topf, der wieder mit seinem Bauch gegen den Schmerz des Lachens ankämpfte.
„Na, Sie sind mir ja ein Komiker!“ meinte Claudia ärgerlich. „Schämen Sie sich im Angesicht eines Toten so dämliche Witze zu reißen!“
„Wer ist hier tot?“ fragte die Schwester auf deren Namensschild Marie stand, ehe sie sich zu Pedro hinunterbeugte und etwas beschämt dreinsah. „Tut mir leid, heute früh sollte Lernschwester Nicole die Patienten mit Frühstück versorgen!“ Energisch drückte sie den Klingelknopf, worauf wenig später eine junge Krankenschwester erschien. „Sagen Sie mal, haben Sie einfach nur serviert, ohne sich nach der Befindlichkeit der Patienten zu erkundigen?“
„Äh, ja! Es sollte doch ganz ganz schnell gehen.“ gestand die junge Frau, der die Schwesterntracht ausgezeichnet stand.
„Einer ist schon eine ganze Weile tot und Ihnen ist es nicht aufgefallen!“ schimpfte Schwester Marie, worauf Nicole zu weinen begann. „Ach hören Sie auf und drehen Sie Ihre Wasserleitung ab, das zieht nicht bei mir! Ich sorge dafür, dass Sie ganz ganz schnell zur Putzbrigade versetzt werden!“
Rau ergriff wieder das Wort: „Wer hat dem Patienten das Mittel hier gespritzt?“
„Ich war’s nicht!“ piepste Nicole. „Ich hab nur das Tablett gebracht, auf dem auch die Medikamente waren, die Spritze sollte ihm Schwester Marie schießen!“
„Deswegen bin ich gekommen. Rechtzeitig aber trotzdem leider zu spät. Doch Ambene kann nicht die Todesursache sein. Er hat es immer gut vertragen.“ erklärte diese ohne Gefühlsregung.
„Mir ist einiges bekannt über Medizin. Es gibt Injektionen, die man intramuskulär und solche, die man intravenös verabreicht. Verwechselt man das oder gibt die Spritze zu schnell, kann es tragisch für den Patienten enden.“ dozierte Rau.
„Hören Sie, ich bin schon jahrelang in diesem Beruf, mir passiert sowas sicher nicht!“ verteidigte sich Marie und sah Nicole an mit einem Blick, der dieser die Tränen erneut aus den Augen trieb. „Hören Sie auf! Sie weinen, wenn ein Patient stirbt, Sie weinen, wenn Sie wer eines Kunstfehlers verdächtigt – gibt es eigentlich eine Gelegenheit, bei der Sie nicht weinen?“
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