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Mittwoch, 4. Februar 2015

Rapunzels Haar

Es gibt verhaltensauffällige Kinder, ADS-Kinder und normale Kinder. Das Problem dabei: man kann sie so schwer unterscheiden! Letztlich ließ ich mich wieder mal zum Babysitten breitschlagen. Und das zwergenhafte Wesen – ein 7jähriges Mäderl namens Melitta – konnte ich nicht einordnen. Erst freute ich mich, dem Baulärm daheim zu entkommen, denn die Wohnung nebenan wird renoviert und die Trennwände des Gemeindebaus, in welchem ich aus pekuniären Gründen ausharren muss, scheinen aus Pappe zu sein - Röntgenwände, die demnächst auch durchsichtig werden! Doch bald sehnte ich mich dahin zurück. Das Kind hatte ein Zimmer mit allen Schikanen: eigener Laptop, Play Station, Blue-Ray-Player, Ikea-Bett mit Rutsche, etc…Was fragte das Kind: „Und was machen wir jetzt?“
Tsiss, dachte ich, total wohlstandsverwahrlost. „Da werden wir schon was finden, Melitta. Übrigens hieß so auch die Erfinderin des Kaffeefilters.“
„Sowas brauchen wir nicht, wir haben eine Kaffee-Kapsel-Maschine!“
Typisch, so eine Maschine hatte auch schon jeder Trottel, nur ich kaufte immer die S-Budget-Loake. Im Bücherregal fand ich ein Märchenbuch, in welchem ein Lesezeichen steckte, just bei Rapunzel! „Soll ich dir ein schönes Märchen vorlesen?“
Anstatt zu bejahen, fläzte sie sich in die bunte Hängematte, die quer in einer Ecke ihres kleinen Prinzessinnen-Zimmers hing und hörte auch geduldig zu. Bis es ihr schließlich zu fad wurde und sie anfing, mir Fragen zu stellen: „Hatte Rapunzel eigentlich Extensions?“
„Nein, sowas gab’s damals noch nicht.“ klärte ich sie auf.
„Aber Haare wachsen nur 1 cm/Monat, im Jahr 12 cm und in 10 Jahren 120!“ dozierte sie. „Sie müsste also schon 100 gewesen sein, damit die Hexe und der Prinz an ihren Haaren den Turm raufkraxeln konnten.“
Ich war baff. „Dich hätten sie für den PISA-Test nehmen sollen. Du hättest den Notendurchschnitt um…äh x% hochgetrieben! Es gibt aber Menschen, die verfügen über außergewöhnlich starken Haarwuchs…hähä!“ musste ich lachen, denn ich stellte mir dabei vor, wo bei Rapunzel noch überall die Haare sprossen. Brazilien Waxing gab’s damals ja auch noch nicht – da hätte sich der Prinz schön gewundert, wenn er sie ausgezogen hat und einem menschlichen Teddybär gegenüber steht.
„Was lachst du so blöd?“ erkundigte sich Melitta mit verengten Augen. „Lachst du mich aus?“
„Nein-nein, aber“, jetzt sehnte ich mich in meine kinderlose scheppernde Gemeindewohnung, „es bringt nix, alle Märchen ad absurdum zu führen. Sonst kommst du noch auf die Idee, die Eltern von Hänsel + Gretl beim Jugendamt anzuzeigen und sie selber auch, weil sie eine verwirrte alte Frau verbrannt haben.“
„Das war ja Notwehr!“ keifte mich Melitta an. Die kleine Klugkackerin schien sogar die Antwort auf die Frage zu kennen: Bereuen Pinguine das Fliegen aufgegeben zu haben?
Kurz überlegte ich und sagte dann entschlossen: „Weißt du was? Ich flitz jetzt schnell nach Hause und hole eins von den Büchern, die ICH geschrieben habe. Die sind zwar für Erwachsene, aber DUUU bist schon reif genug dafür zu erfahren, wie raffiniert darin gewisse Leute umgebracht werden!“ Schon eilte ich fort und riet dem wissbegierigen Irrwisch noch im Abgang: „Guck dir derweil so eine Horrorserie auf Netflix an! Bin gleich wieder da und les dir echt nervenzerfetzende Geschichten vor, die meinem Hirn entsprungen sind!“ Insgeheim freute ich mich schon auf ihre Reaktion, wenn ich ihr wild gestikulierend meine packenden Kurzgeschichten vorlas und sie damit in schlimme Alpträume trieb…
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