Ein mieser Tag kann mit entsprechender Lektüre noch zu retten sein, klickt euch also öfter bei mir rein!

Sonntag, 16. Januar 2022

Gefangen


 Gestern fand ich auf meinem Abendspaziergang ein Lidl-Wagerl und schob es zum Geschäft zurück. Die Kirchturmglocken läuteten schon sechs Uhr und aus der Schleuse vom Lidl auf der Landstraßer Hauptstraße guckte neben den leeren zusammengeschobenen Wagerln ein Pärchen raus, von welchem der männliche Teil auf seinem Handy scrollte, während der weibliche an die Scheibe klopfte. Offenbar waren die beiden - angezogen vom Licht wie die Motten - ungeachtet der Zeit reingegangen, hatten nicht ins Geschäft gekonnt und bei ihrer Rückkehr zum Schleuseneingang hatte sich die Glasschiebetür nimmer geöffnet. Das blieb leider auch so, denn selbst als ich mich streckte und mit meinem rechten Arm unter dem Mechanismus hin und her wedelte, rührte sich nichts, außer, dass das kleine grüne Lichtlein oben auf Rot schaltete. Ich ließ das Wagerl vor der Tür stehen, zuckte die Schultern und ging. Wenn die zwei nicht gestorben sind oder die Feuerwehr riefen, dann müssen sie noch bis morgen zur Öffnungszeit warten. Da wär's gut, sie hätten einige Bücher zum Lesen von mir dabei. Aber sind wir nicht alle Gefangene, überlegte ich versonnen am Heimweg, gefangen in unserem Körper, gefangen einer Pandemie, gefangen im Neoliberalismus, gefangen in Konventionen, gefangen in unseren Rollen der Gesellschaft auf einem Planeten, von dem es kein Entrinnen gibt, außer man ist Raumfahrer(in).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen