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Freitag, 17. Juli 2015

Mord nach Drehbuch

Zum Glück verursachten die menschlichen Abgründe, mit denen er beruflich zu tun hatte, Kommissar Rau immer eine Gänsehaut, wodurch er nicht sonderlich unter den herrschenden 40 Grad im Schatten litt. Diesmal stand er vor einer weiblichen Leiche im Prater, die halb entkleidet und mit Ästen gespickt war. Die entlaubten Astenden ragten aus klaffenden Fleischwunden empor, um die bereits die Fliegen kreisten.
"Liegt sicher schon mehrere Stunden hier!“ stellte Pille, der Gerichtsmediziner, fest. "Und am verzerrten Gesicht erkenne ich, dass ihr die Verletzungen nicht post mortem zugefügt worden sind. Eine eindeutige Todesursache kann ich momentan nicht feststellen. Aber hier, aus der Hemdblusentasche, hab ich eine Visitenkarte mit Foto."
"Ja, das ist eindeutig die Tote." bemerkte Rau. "Was ist eine Script-Consulterin?"
"Ich vermute, außer dass es schlechtes Englisch ist, denn es müsste Script-Consultant heißen, eine Drehbuch-Beraterin!"
"Hm, dann muss ich wohl in Künstlerkreisen ermitteln." murmelte Rau. "Die sind auch nicht weniger grausam als unkreative Menschen.“

Pille sah ihn an und bemerkte: "Jetzt weißt du, warum ich so gern in eine Phantasiewelt wie Star-Trek entfliehe.“
Rau nickte und machte sich auf den Weg ins Büro der Ermordeten, wo er ein Chaos vorfand. Die Tür stand einen Spalt breit offen und im Inneren lagen Unterlagen wild verstreut herum, während der Laptop ziemlich verbogen im Papierkorb lag. Mit seinen behandschuhten Händen wühlte er im Papierkorb und fand wonach er suchte: handschriftliche Notizen zu ihren letzten Kunden. Auf einem Zettel stand mit Rotstift vermerkt: schwache Handlung, hölzerne Dialoge! Mark Miesenbach muss noch viel lernen. Auf einem zweiten Stück Papier war zu lesen: Handlung zu wenig durchdacht, aber ausbaufähig! Werde Helga Henlein helfen.
Mit seiner Ausbeute und nach einem obligaten Anruf bei der Spurensicherung, eilte Rau in sein Büro und ermittelte die Adressen zu den beiden Namen. Natürlich konnte der Täter seinen Zettel längst verschwinden haben lassen, aber sein Instinkt sagte Rau, dass der wohl nicht daran gedacht hatte, sich zu versichern, im Papierkorb keinen Hinweis auf sich hinterlassen zu haben. Außerdem gehörte er sicher der Digital-Generation an, welche schnöden Papierschnipseln keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Nein, einer der beiden musste nicht ganz unschuldig am Tod der Script-Consulterin Karen Kelso sein. Kurz darauf fand er sich also in der Wohnung von Mark Miesenbach im 12. Bezirk ein. Miesenbach war augenscheinlich ein typischer Intellektueller, mit Hornbrille auf der Nase, durch die kleine Rattenäuglein lugten, und empfing Rau, der ihm seinen Ausweis kurz unter die Nase hielt, in einem roten Schlafrock. "Guten Tag! Ich komme in einer traurigen Angelegenheit. Kennen Sie eine Frau Kelso?"
"Ja leider!" gestand Miesenbach. "Hat sie einer umgebracht?"
"Wie kommen Sie darauf?"
"Na, wenn einer wie Sie daher kommt… Außerdem war die Frau die Pest!" begann er einen frustrierten Wortschwall. "Sie sagte doch tatsächlich, es wäre nicht nachvollziehbar, dass ein katholisch erzogenes Mädchen in den Dschihad ziehen würde. Und ich sagte: es ist auch für mich nicht nachvollziehbar, dass eine Script-Beraterin mein Script kritisiert. - Wem ist die Story eingefallen? Ihr oder mir? Soll die sich doch selbst eine Handlung ausdenken, wenn ihr meine nicht gefällt. Sie meinte, es wär glaubwürdiger, wenn die Hauptperson ein Mann wäre, der auf die versprochenen 77 Jungfrauen im Paradies scharf ist. Ich sagte: ist doch auch nicht nachvollziehbar: 77 sind für die Ewigkeit doch viel zu wenig! Oder wächst dort wieder was nach?"
Weiterlesen unter: http://www.bod.de/buch/s--pomej/moerder-machen-fehler/9783739204963.html

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