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Montag, 18. Mai 2015

HEIMWERKER

Jeder will sein Heim so gut es eben geht verschönern. Wenn möglich mit einfachen Mitteln ganz allein, denn bei den hohen Preisen und der tiefen Arbeitsmoral von Handwerkern, muss man sich selbst behelfen. Aber man konnte auch alles übertreiben. Zum Beispiel nachts Möbel rücken oder beizen oder abschleifen, während nebenan ein müder Nachbar den Schlaf herbeisehnt, ist nicht nur rücksichtslos, sondern auch lebensgefährlich. Mein Nachbar, den ich leider schon viel zu lange ertragen musste, trieb es auf die Spitze, denn trotz meiner sehr höflichen Beschwerden dachte der Kerl nicht daran, sich zu bessern und nur mehr in den Tagesstunden, wo alle wach und aufs Verschönern des Heimes aus waren, zu werken. Also musste ich mir einiges einfallen lassen, um ihn zu bestrafen. Es fing damit an, dass ich seinen Lieferwagen zerkratzte und die Reifen zerstach. Dann bestellte ich im Baumarkt unter seinem Namen und seiner Kontonummer, die ich ganz einfach erfuhr, indem ich jemanden beim Kabelfernseh-Sender kannte, der sie mir verriet, jede Menge nützliche, aber unverlangte Geräte, die er dann wieder retournieren musste. Einmal bestellte ich ihm 1000 Schaumrollen, die ihm geliefert wurden, trotzdem er doch Diabetiker war, hähä. Ein andermal rief ich die Bestattung, um seine Leiche abholen zu lassen, wobei sich die Bestatter von ihm erst gar nicht abwimmeln lassen wollten. Er hatte keine Ahnung, wer ihm diese Streiche spielte, sonst hätte er in stupider  Wie-du-mir-so-ich-dir-Manier zurückgeschlagen. Dann steckte ich abgebrochene Zündhölzer in sein Schlüsselloch, sodass er einen teuren Aufsperrdienst holen musste, hähähää!
Hernach schmuggelte ich einen gebrauchten Damenslip, den ich einer unachtsamen Studentin im Waschsalon geklaut hatte, in sein Handschuhfach, als er wiedermal die Autotür offengelassen hatte. Seine Frau reichte die Scheidung ein. Der Slip war aber nicht die Ursache, sondern nur der Anlass für ihren Abgang. Denn auch sie war es leid, sich immer sein Gehämmer, Geschleife und Genagel anzuhören. Vom Dreck, den er beim Basteln immer machte, ganz zu schweigen. Meine Versuche, ihn in den Wahnsinn zu treiben wurden immer gefinkelter. Ich schrieb Leserbriefe unter seinem Namen, die dann in der Tageszeitung veröffentlicht wurden und ihm neue Feinde einbrachten, von denen ihn einer nachts immer anrief und beflegelte. Ich hörte durch die angrenzende Wand meiner Wohnung wie er zurückschimpfte und sich Ruhe ausbat, obwohl er selbst nicht der Leiseste war. Ich hoffte so sehr, dass er seine Koffer und seine Bohrmaschine packte und endlich in eine andere Gegend zog, doch der war so stur wie ein Panzer. Also was blieb mir anderes übrig als weiter auf Übles  zu sinnen, um ihn mürbe zu machen. Eine Idee von mir war, ihn abends, wenn er mal wieder Holzbretter auslud und vor meinem Fenster auf den Asphalt knallen ließ, mit dem kürzlich erstandenen Elektroschocker zu malträtieren. Denn er hat einmal einer Nachbarin erzählt, dass er schon einen Herzschrittmacher hatte und der Elektroschlag hätte ihm den Rest gegeben und ich hätte endlich, endlich meine Ruhe vor ihm gehabt. Doch dann nahm das Schicksal eine andere Wendung. Die Wände sind ja so dünn, dass man dem Nachbarn wenn er niest ‚Gesundheit!‘ wünschen kann und er dann ‚Danke!‘ drauf sagt. So kam es, dass er, als er wieder mal so gegen halb neun Uhr abends zu bohren anfing, bei mir durch die Wand kam. Mit der Bohrerspitze. Das wäre zwar ein Beweis für seine unmögliche nachbarliche Verhaltensweise gewesen, doch der Gerichtsweg ist ein langer. Also holte ich hurtig den Elektroschocker und wartete, bis er beim nächsten Bohrgang wieder mit der Bohrerspitze bei mir durch die Wand guckte, dich ich erst kürzlich frisch tapeziert hatte. Er ließ nicht lang auf  sich warten und so hielt ich den Elektroschocker rasch auf die sich noch drehende Metallspitze des durch die Wand lugenden Bohrers, schaltete auf volle Pulle - Bizzel-Bizzel-Bsss- und hörte ein Kreischen gefolgt von einem lauten Rumms (das war das Geräusch als sein massiger Körper zu Boden fiel und er dann sicher sehr dekorativ auf seinem neu angelegten Schachbrett-Parkettt-Fußboden rumlag) und dann nur noch himmlische Ruhe. Das war herrlich. Mit einem spitzen Handbohrer drehte ich die festgefahrene Bohrspitze zurück, bis ich hörte, wie die Bohrmaschine ebenfalls zu Boden fiel und brauchte dann nur noch eine neue Bahn der verbliebenen blassblauen Blümchen-Tapete auf die Mauer leimen. Fertig!
Nun konnte ich mein verschönertes Heim letztendlich in wohlverdienter Ruhe unbehelligt genießen.

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