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Freitag, 22. Mai 2015

3-Minuten-Krimi

Todesschrei

  Wie so oft, wenn Kommissar Rau den Tatort betrat, wuselte schon die Spurensicherung um das Mordopfer herum. Diesmal hatte es eine junge Frau erwischt, die in einer Doppelhaushälfte mit ihrem Gatten wohnte, welcher aber nicht daheim war. Offensichtlich hatte sie die Tür ihrem Mörder geöffnet, lag nun mit einer Wunde an der Schläfe neben einer antiken Kommode und starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte er ihr einen Schlag versetzt und sie war gegen die Kante geknallt. Das Wohnzimmer zeigte keinerlei Kampfspuren, was auf eine eher eruptive Handlung schließen ließ. Rau sah sich um und bewunderte die geschmackvolle Einrichtung. Auf einem zur Kommode passenden Tisch stand ein Grammophon, das als Blumentopf diente, welch lustiger Einfall. Und im ebenfalls zum Stil der restlichen Möbel passenden Einbauschrank befand sich ein Tonbandgerät mit einem eingelegten Tonband. Junge Leute kannten so ein Ding nur mehr aus den Wiederholungen der beliebten Krimiserie Columbo. Gemeldet hatte die Tat die Nachbarin, Frau Fließgarten, eine gesprächige, neugierige ältere Dame, als Zeugin ein Geschenk des Himmels. Nicht umsonst hatte Agatha Christie Miss Marple als ältliche Lady geschaffen. "Wissen Sie Herr Kommissar, ich kümmere mich ja nicht um meine Nachbarn, aber die Wände sind so dünn, dass man alles hört, ohne ein leeres Glas an die Wand halten zu müssen." erklärte sie Rau eifrig, als er bei ihr im Haus war.
"Und was haben Sie gehört?" fragte er und nahm auf ihr Handzeichen Platz.
"Naja, die üblichen Ehestreits halt. Sie stritten sich meist über Geld, Hausarbeit und Sex, denn Kinder hatten sie ja nicht. Er meinte, sie gäbe zu viel Geld aus und arbeite zu wenig und sei beim Sex zu fordernd. Außerdem vermutete er einen Rivalen, was sie aber immer heftig bestritt. Aber Clausi-Mausi, piepste sie immer - er heißt Claus Vogt und ist Versicherungsmakler - hat einen Bart wie Heinrich IV und einen Blick wie Heinrich VIII, ich mach doch sowas nicht!" äffte Frau Fließgarten die hohe Stimme der toten Nachbarin nach.
"Und haben Sie je einen fremden Mann bei ihr gesehen?" forschte Rau.
"Glauben Sie vielleicht ich spioniere?" erkundigte sie sich skeptisch.
"Aber nein, ich halte Sie nur für eine ausgezeichnete Beobachterin!" schmeichelte er ihr und setzte sein charmantestes Lächeln auf.
"Ach so. Also vorige Woche am Mittwoch war einer da, der sah aber wie ein Vertreter aus, hat allerdings so mit ihr geflüstert, dass ich beim besten Willen nix verstanden hab, trotz Glas an der Wand. Das fand ich schon mal verdächtig." meinte sie. "Aber Sie könnten auf Facebook nachgucken, ob sich einer mit der Tat brüstet, heutzutage brüsten die sich ja mit Dingen, für die man sich früher nur schämte!"
"Jaja, und was war kurz bevor Sie die Polizei riefen?"
"Ach furchtbar! Sie war allein daheim, ich hab niemanden kommen gesehen und ihr Mann ist ja heut früh schon aus dem Haus gegangen, da hat er ihr zum Abschied noch zugerufen: Ich muss zu einem Kunden! Ich bring dir auch was Schönes mit, Liebling! - Das hat der noch nie gemacht, sowas zu ihr gesagt, aber vielleicht hatten sie ja heut nachts tollen Sex. Jedenfalls hörte ich vor einer halben Stunde einen markerschütternden Schrei, wie sie ihn noch nie ausgestoßen hat. Ich hab gegen die Wand geklopft und gerufen: Frau Vogt! Ist alles in Ordnung? Und hab natürlich keine Antwort bekommen, also hab ich gleich die Funkstreife gerufen.Weglaufen gesehen hab ich aber niemanden." berichtete sie teils mit lauter Stimme.
"Na, da wissen wir wenigstens einmal auf die Minute genau die Todeszeit!" freute sich Rau und verabschiedete sich.
Wieder im Haus der toten Frau Vogt erfuhr er allerdings Erstaunliches. Pille, der Rechtsmediziner mit dem Star-Trek-Faible, stellte fest: "Sie muss mindestens schon 2 Stunden tot sein, die Totenstarre setzt bereits ein."
Wie aufs Stichwort kam der nun verwitwete Gatte mit einem Blumenstrauß heim. "Nanu, was ist denn hier los? Um Gottes Willen, ist meiner Frau etwas passiert?" fragte Vogt und setzte ein überraschtes Gesicht auf.
"Sparen Sie sich Ihre Schauspielkünste!" zischte Rau erzürnt. "Als Sie das Haus verließen, war Ihre Gattin bereits mausetot! Beim Basteln Ihres Alibis, eines markerschütternden Schreis während Ihrer Abwesenheit, den die Nachbarin hören sollte, haben Sie leider die physiologischen Abläufe nach dem Tod eines Menschen nicht bedacht, die Ihr Alibi zunichte machen!"
"Was reden Sie denn da daher?" ärgerte sich Vogt und fuchtelte mit dem Blumenstrauß herum. "Wie kann eine Tote denn schreien?"
"Oh, ganz einfach, warten Sie, ich zeig es Ihnen!" kündigte Rau triumphierend an.
WAS TUT ER?

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