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Donnerstag, 27. Dezember 2012

Zum Verzweifeln-Teil3

Endlich war ich am Ziel meiner Bemühung: beim Nervenarzt, einem etwas einschüchternd aussehenden älteren Herren kurz vor der Pension. Eine Mischung aus verwirrtem Professor und orientierungslosen Obdachlosen im weißen Mantel. Wer die Muppet-Show kennt: er sah dem blauen Adler Sam mit den buschigen Augenbrauen, welcher immer den Moralapostel spielt, täuschend ähnlich.
Übrigens hatte ich schon beim Eintritt in die altmoderne Ordination im 1.Bezirk das Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnisses. Irgendwo in einem Agentenfilm aus den 70er-Jahren habe ich die weitläufigen Räume, die seit damals sicher nicht renoviert wurden, schon mal gesehen, aber in welchem??? Mit Alain Delon oder Lino Ventura, aber egal, die Sprechstundenhilfe saß in einem pittoresken Glaskobel und im angrenzenden Raum standen diverse Betten getrennt durch weiße Vorhänge, richtig enterisch. Schon wollte ich auf dem Absatz kehrt machen, aber da ich schon mal da war, trieb mich die Neugier zum Bleiben. Der hatte die Zeitschriften auf dem warmen Heizkörper der auch schon altertümlichen Zentralheizung liegen. Von Brandgefahr hielt er wohl nix. Ein Traum für Pyromanen.
Nach kurzem Warten empfing er mich also und hörte sich meine Probleme an, nicht ohne Widerworte: „Was glauben’s wie oft ich das schon höre? Circa 3000mal im Jahr.“
„Jaja, aber bisher erst zum ersten Mal von mir. Ich bin sowas ja nicht gewohnt.“
„Mir brauchen Sie nix erzählen, glauben’s ich schwimme auf der Nudelsuppe?“
„Zum Erzählen bin ich aber hier!“ protestiere ich schwach.
Irritierter Blick, er bat mich hinter einen grünen Vorhang, wo eine Liege stand, die er mit Papier auslegte und forderte mich auf: „Ziehen’s die Schuhe aus und legen sie sich hin.“
Oje, dachte ich noch, jetzt wird’s unangenehm. Er kam mit einer Taschenlampe, blendete mich, das hieß, er leuchtete mir in beide Augen, dann musste ich die Zunge rausstrecken und ganz schnell nach rechts und links bewegen. Schade, dass keiner mitgefilmt hat, das wär der Lachhit auf YouTube gewesen. Hernach hob er erst das linke Bein hoch, dann das rechte, fuhr mit einem Metallgegenstand über beide Fußsohlen, klopfte mit einem Hämmerchen auf die Reflex-Zonen, brachte einen Metallpegel mittels Klopfen ans Bettgestell zum Schwingen, hielt ihn mir an die Handgelenke und fragte: „Spüren’s die Vibrationen?“
„Jaaa.“ War so ähnlich wie Klangschalen-Therapie.
Dann musste ich aufstehen, mich vor ihn stellen und er wies mich an: „Erst zusehen, dann nachmachen!“ Schon schloss er mit ausgebreiteten Armen die Augen und trippelte ein paar Mal auf der Stelle als wolle er Steppen, und machte dann jeweils links und rechts einen großen Schritt auf der Stelle, wobei er das Knie jeweils bis fast zur Nase anzog. Dann tippte er sich abwechselnd mit dem linken und dann mit dem rechten Zeigefinger auf die Nase. Es erinnerte an den Alko-Test der Polizei, wo man auch auf einer Linie grade gehen muss. „Jetzt Sie!“
Scheinbar wartete er, dass ich umfiel, aber den Gefallen tat ich ihm nicht. Und steppte so wie er, tippte mir auf die Nase, wobei ich das Lachen verbeißen musste. Jedenfalls durfte ich die Schuhe wieder anziehen und er sprach ins Diktafon etwas unverständlich für mich: „Aphasie (oder so ähnlich)negativ, Reflexe verzögert,…“ Ich verstand aufgrund der nuschelnden Aussprache nicht genau, was ich eigentlich hatte, bzw. was er glaubte, das ich hatte. Aber er sandte mich jedenfalls zu EEG (wo man Hirnströme misst) und NLG (wo man die Nervenleitgeschwindigkeit misst) in ein Labor. Uff, befürchtete ich schon die nächste Geisterbahnfahrt, denn ich hasste medizinische Untersuchungen. Es soll schon jemand während eines EKG-Belastungstest auf so einem medizinischen Hometrainer-Fahrrad gestorben sein. Naja, was tut man nicht alles, wenn man befürchtet, von andern dem Wahnsinn in die offenen Arme getrieben zu werden….

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