Gestern war ich wieder mal bei meiner Großtante zu Gast. Die Unterhaltung mit ihr ist immer etwas zäh, aufgrund ihrer Schwerhörigkeit muss man nämlich zum Brüllaffen mutieren und erhält auf Fragen oft g'schnappige Antworten. So erlaubte ich mir die Frage: "Wie viele Termine hast du denn nächste Woche?" Drauf sie: "Warum fragst?" Na, warum fragt der Mensch? Aus Interesse, Wissbegier, Anteilnahme, Neugierde, um ein Gespräch in Gang zu bringen oder am Laufen zu halten, aber wenn es sich um ein Staatsgeheimnis handelt, können wir uns auch schweigend gegenübersitzen! Das würde wenigstens meine Stimmbänder schonen - auf denen könnte man schon ein Violinkonzert geben! Weil ihre Hörhilfe hilft angeblich nichts und auch die Batterie ist so klein, sie schafft es nicht, diese in das Gerät hinein zu klamüsern. Auch der Umgang mit dem Seniorenhandy fällt ihr schwer, immerhin schaffte sie es, die Dame an der Rezeption des Seniorenhotels dazu zu bringen, mich anzurufen und meinen Besuch zu wünschen. Ich komme ja gern, anders als der Enkelsohn, der das Erbe schon zu Lebzeiten überschrieben bekam und für den sie extra eine Flasche Orangeade gekauft hat.
Es ist schon interessant zu hören, was sich vor Jahr & Tag so abgespielt hat. Kurz nach Kriegsende, als die Russen kamen, bat die Nachbarin ihre Mutter, bei ihnen in der Wohnung schlafen zu dürfen, sie fürchte sich so allein, und ließ sich dann auch gleich das Bettzeug von ihrer Mama waschen. Als sie zu laut schnarchte, warf die Mama die dreiste Nachbarin höflich raus und sie zog weg. Daraufhin zog ein russischer Offizier in deren Wohnung ein, der gleich bei der Rückabwicklung des Diebstahls vom Motorrad ihres Bruders behilflich war. Später dann, als tüchtige Lohnverrechnung in einer Firma angestellt, musste sie sich damals noch vom Chef auf den Po klopfen lassen und lieb lächeln. Aber das Brust-Betatschen und Kneifen hat sie sich immer streng verbeten! Andre Zeiten, andre Sitten...

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