Bei strömendem Regen pilgerte ich gestern gegen 19 Uhr ins Café Ministerium, wo das LeseTheater gastierte. Eine der vier Vortragenden (3 Damen + 1 Herr) lobte mein Kommen trotz des miesen Wetters. "Ja", sagte ich, "selbst die Sintflut könnte mich nicht von diesem Kunstgenuss abhalten!" Der freundliche Tischnachbar erfragte, ob ich schon mal dem Quartett gelauscht hätte. "Einmal", bekannte ich, "im Sommer 2019 im 16. Bezirk, wo im Gasthaus Sittl Der futurologische Kongress von Stanislaw Lem stattfand." Er nickte: "Ja, meine Ex-Frau hat den immer verschlungen. Kommen Sie öfters zu den Lesungen?" Ich verneinte: "Ich bin vom Science-Fiction-Club. Und Edgar Allan Poe hat ja auch Sci-Fi-Elemente." - "Ah, ich habe früher auch die SF-Magazine verschlungen. Mit 12 Jahren las ich Das klopfende Herz von Poe und konnte die ganze Nacht nicht schlafen!" - Er meinte Das verräterische Herz. Na, ich bestellte mir einen Topfenstrudel mit Vanillesoße (er bestellte sich nur Tee und sagte: "Sie brauchen ja nicht abnehmen!") und harrte mampfend der Darbietung von Poes Werk Seltsame Geschichten III. Mit hörbar ausgebildeter Stimme donnerten die Sprecher(innen) den gewaltigen Text in den kleinen Extra-Raum, vor allem das Lachen des Mannes dröhnte Gänsehaut verursachend in meinen Ohren. Man konnte sich richtig vorstellen, wie Edgars morbide, gruslige Welt zum Leben erwacht und auch der letzte der 5 andern Besucher horchte gebannt zu. Nach einer halben Stunde kam noch eine Dame dazu, nach weiteren 16 Minuten ein Herr, insgesamt waren wir also 8 Zuhörer. Bei der Begrüßung und beim Abschied wurden wir dezent auf die Flyer für die nächsten Veranstaltungen hingewiesen und auf ein Körbchen, das es zu füllen galt. Ich löhnte auch einen Zehner und sprach ehrliches Lob für die kunstvolle Darbietung aus. Am Heimweg regnete es immer noch und ich erblickte am Gras vor der Angewandten (Oskar Kokoschka-Platz 2) ein sitzendes Entenpärchen. Wär's eine Story von Poe, hätte ein Bösewicht die Enten gefangen, gerupft und sich zum späten Nachtmahl gebraten...
PS: Am 18.4. bringen sie übrigens Unser Amerikanischer Cousin - während der Aufführung dieses Stücks wurde der als Besucher anwesende US-Präsident Abraham Lincoln erschossen. - Da werd' ich auch hingehen.
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