Professor
Frods mysteriöser Fan
„Was haben die Israeliten eigentlich mit dem Auszug
aus Ägypten gewonnen?“, fragte der Professor und ließ seinen Blick über die
gespannten Gesichter in dem gut gefüllten Hörsaal wandern. Mit salopper
Ausdrucksweise, lebhafter Gestik und spannend gestalteten Inhalten köderte er immer
mehr Hörer, von denen nur eine geringe Anzahl den Beruf des Archäologen
ergreifen wollte.
„Und wagen Sie es nicht zu sagen: die Freiheit! Denn
im Grunde tauschten sie nur eine Abhängigkeit gegen eine andere aus. Nämlich
die von einem unbarmherzigen Pharao gegen jene eines noch unbarmherzigeren
Gottes! Gut, sie hatten zwar zuerst die Genugtuung zu sehen, wie ihre Feinde im
Toten Meer ersoffen, aber dann kam eine 40 Jahre andauernde Odyssee durch die
Wüste. Und Gott sprach nicht einmal persönlich zu ihnen, sondern bediente sich
eines uralten Strohmannes namens Moses, der mit seinem Priesterstab einige
Varieté-Kunststücke beherrschte. Und der führte sie gemäß seinen Anordnungen
von oben 40 Jahre lang in die Irre!“ Dabei tippte er sich gegen die Stirn und
legte eine Kunstpause ein, in welcher ein leises Raunen vernehmbar wurde.
„So groß ist keine Wüste, dass man diese enorme
Zeitspanne braucht, um sie zu durchqueren. Wir können davon ausgehen, dass er
sie entweder im Kreis, im Zick-Zack oder in Form des Unendlichkeitszeichens
herumgeführt hat. Von den Sklaven des Pharaos zu den Sklaven Gottes gemacht,
fristeten sie ein armseliges Leben und bekamen dafür nur Staub namens Manna zu
fressen.“ Wieder wurde ein Raunen hörbar und der Professor amüsierte sich über
den Wechsel von Spannung zu Empörung in der Miene mancher Gesichter. „In dieser
Zeit hätten sie in Ägypten bei besserer Verköstigung noch mindestens zwei
weitere Pyramiden erbauen können, auf die sie stolz hätten sein können und über
die ich Vorlesungen hätte halten können.“
Kurzes Gelächter entspannte die fast blasphemische
Ausführung und einige der Studenten machten sich eifrig Notizen, um später darüber
diskutieren zu können, denn für eine Prüfung konnte dieser brisante Stoff nicht
bestimmt sein.
Unauffällig schielte Professor Frod zu den Rängen
der Gasthörer hoch, denn es war schon vorgekommen, dass von dort oben etwas in
seine Richtung geflogen kam. Zum Beispiel ein Kugelschreiber oder eine Packung
Papiertaschentücher als Zeichen hilflosen Protestes.
„Eine unbequeme Wahrheit“, fuhr er fort, schob
lässig die Hände in die Taschen seines karierten braunen Sakkos, unter dem er
ein weißes Hemd ohne Krawatte trug, und senkte den Blick zu Boden, „mit der die
Israeliten da konfrontiert wurden und von der sie sich verständlicherweise mit
dem Tanz ums Goldene Kalb abzulenken versuchten.“
Totale Stille im
Hörsaal, man hätte die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, die Zuhörer
hingen an seinen Lippen und warteten, dass er erneut den Blick seiner blauen
Augen auf sie richtete und in seinem beeindruckenden Vortrag fortfuhr.
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