Auf dem Heimweg, so gegen 22 Uhr 30, fuhr Rau wie gewöhnlich gemächlich dahin und dachte an nichts Böses, als plötzlich KRACH! ein Körper auf seiner Motorhaube landete. Geschockt, obwohl er im Laufe seiner Karriere schon so einiges hatte mitansehen müssen, bremste er mit quietschenden Reifen und sprang aus dem Wagen, wobei er sich fast im Sicherheitsgurt verhedderte. Doch dem Mann, welcher mit verdrehten Gliedmaßen auf dem verbogenen Blech lag, konnte er nicht mehr helfen, wie er traurig feststellte, als er an dessen Halsschlagader griff. Sicherheitshalber legte er noch seinen Kopf auf dessen Brust, konnte aber keinen Herzschlag mehr hören, roch aber Alkohol, der beim Trinken wohl auf das feine Hemd gespritzt war. Berufsmäßig schätzte Rau das Opfer ein: circa 30-40 Jahre, beginnende Stirnglatze, 1Meter80 groß, gut gekleidet, blaue Augen, die weit aufgerissen ins Leere starrten und offener, wie zum Schrei geöffneter Mund. Rau hatte aber keinen Schrei gehört, er konnte ihn auch nicht überhört haben, da er das Autoradio nicht eingeschaltet hatte. Mit einem Blick nach oben an der Fassade des 6-stöckigen Hauses, aus dem der Mann offenbar gefallen war, konnte er auch kein offenes Fenster entdecken, was ihn zum Schluss brachte, dass der arme Mensch wohl vom Dach gesprungen, gestoßen oder ev. Bei einer Mutprobe gefallen sein musste. Um an seine Personalien zu kommen, durchsuchte Rau noch die Innentaschen des Designer-Sakkos von dem Toten, konnte aber weder Führerschein, noch Mobiltelefon finden. Während er unten an der Gegensprechanlage drückte, wählte er automatisch die Notrufnummer mit seinem Handy und sagte den Einsatzkräften die Adresse durch. Schließlich meldete sich über die Gegensprechanlage eine Dame namens Walek und fragte, wer denn da sei. „Rau, Mordkommission, öffnen Sie bitte!“ Als er in das Haus eintrat, kam ihm ein Herr mit einem Hund entgegen. „Guten Tag, darf ich Sie bitten, mal einen Blick auf ein Unfallopfer zu werfen? Vielleicht kennen Sie den Mann ja!“ sprach ihn Rau an.
„Naja, wenn’s sein muss!“ sagte der Herr, der wohl schon in Rente war und nichtmehr der Agilste zu sein schien. Draußen guckte er teilnahmslos auf den Toten und meinte dann nur: „Nein, den hab ich noch nie gesehen. Fragen Sie mal die feine Dame oben im letzten Stock. Die kriegt immer so viel Herrenbesuch! Die ist ein richtiger Wanderpokal! Hat wahrscheinlich eh schon AIDS!“
„Vielen Dank für die ausführliche Auskunft!“ meinte Rau und ging zum Lift, um nach oben zu fahren. Oben angekommen, empfing ihn jene Dame, bei der er geklingelt hatte. „Frau Walek? (sie nickte kurz) Eben ist mir ein Mann auf’s Auto gefallen. Darf ich Sie bitten mit runter zu kommen-“
„Ich hab schon aus dem Fenster geguckt. Den armen Hund kenn ich nicht! Der ist sicher aus der Wohnung von der Schebesta entkommen. Die hat einen so enormen Männerverschleiß, dass einem schwindlig wird. Frag mich, ob die es nicht eh gewerbsmäßig treibt.“ Unterbrach sie ihn und verschwand wieder in ihre Wohnung.
Rau klingelte also an der Wohnung mit dem Türschild Schebesta. Eine zaundürre Frau mit gebleichten Extensions und Solariumbräune öffnete ihm und sah ihn fragend an. „Frau Schebesta, ich hab möglicherweise eine schlechte Nachricht für Sie. Hatten Sie eben Herrenbesuch?“
Sie überlegte kurz. „Naja, vor einer halben Stunde hab ich den Kurti rausgeschmissen!“ Rau zuckte kurz, wusste aber, dass sie damit nicht meinte, ihn aus dem Fenster geworfen zu haben. „Beschreiben Sie mir mal den Besucher.“
„1,85 Groß, gutaussehend, Geheimratsecken.“ sagte sie und kratzte sich im Schritt ihres pinkfarbenen Jogginganzuges. „Warum fragen Sie mich das?“
„Weil der Beschriebene unten tot auf meiner Motorhaube liegt!“
„WAAAAS?“ kreischte sie auf und rannte wie vom Teufel geritten nach unten.
Rau entdeckte eine offene Glastür am Ende des Ganges und schritt die kleine Treppe dahinter hinauf zu einer schön begrünten Dachterrasse. Auf ihr standen einladend ein Tisch und einige Campingstühle. Auf dem Tisch befanden sich ein Pappbecher und eine leere Flasche Henkell Trocken. Von der hölzernen Balustrade aus konnte er hinuntersehen, wie bereits Ambulanz und Polizei eintrafen und die Schreie von Frau Schebesta vernehmen. Er vermied es, auf dem Holz seine Fingerabdrücke zu hinterlassen, um der Spurensicherung nicht die Arbeit zu erschweren und eilte wieder hinab zur Tür von Frau Walek und klopfte.
„Was wollen Sie denn schon wieder?“ fauchte sie ihn an. Mit ihrem hübsch zurechtgemachten Gesicht und der Hochsteckfrisur wollte sie vielleicht in die Oper gehen.
„Entschuldigen Sie, aber mir fällt nicht alle Tage ein Mann auf die Motorhaube. Da will ich natürlich wissen, was ihn zu dieser Verzweiflungstag bewogen haben könnte.“ erklärte Rau. „Sie hatten Recht, er kam aus Frau Schebestas Wohnung. Allerdings dürfte er vor seinem unglücklichen Absturz noch auf der Dachterrasse gewesen sein und-“
„Jaja, mit ihr war er oben, dem notgeilen Stück, ich hab sie ja gehört. Die schreit ja so beim Reden. Fast noch lauter als beim Sex. Und ich muss mir das immer anhören! Schlafen kann ich nur mit Ohrstöpseln! Furchtbar!“ empörte sich Frau Walek. „Aber ich war sicher nicht oben und hab mich so danebenbenommen wie die beiden! Saufen um die Wette! Prosten sich zu! Pah!“
In dem Augenblick spie der Lift den Herrn mit dem Hund aus. „Haben’s schon gehört, Frau Walek?“ fragte der Herr. „Einer von Schebestas Gigerln hat die Abkürzung runter genommen, höhö!“
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