Wenig später traf ich Wolfram wieder, der mich auch nur
halbherzig begrüßte und fragte ihn: „Wo ist denn die Ulli?“ „Im Spital!“ „Huch!
Doch nix Ernstes?“ Schon befürchtete ich einen Ski-Unfall. „Nein-nein, sie ist bei unserer Nachbarin, die ist gestern
ausgerutscht und mit doppeltem Beinbruch eingeliefert worden.“ „Oje!“, sagte
ich, weil mir nix Besseres einfiel. „Ja, genau!“, stimmte er zu und atmete tief
durch. Nun bereute ich, die Einladung angenommen zu haben und fragte der
Höflichkeit halber: „Kann ich irgendwie helfen?“ Da erhellte sich sein Gesicht
und er meinte: „Ja, die Ulli hat schon in der Küche Vorbereitungen für die
Weihnachtsbäckerei getroffen. Wenn du vielleicht…“ „Ja, sicher!“, sagte ich
spontan und ging in die Küche, wo nur der Nudelwalker und die Keksausstecher
herumlagen, was hieß, dass ich den Teig zuerst fabrizieren musste, denn im
Kühlschrank war kein Fertigprodukt zu entdecken. Wenn ich das wem erzähle,
glaubt’s wieder keiner, dachte ich, muss Kekse backen, damit ich mir mein
Wohnrecht verdiene.
Nach einer Stunde dufteten meine Eigenfabrikate so
verlockend, dass Mann & Kinder auftauchten und eine Geschmacksprobe
vornahmen. „Hmmm!“, machte Tomas anerkennend mampfend und auch Lena nickte.
Wolfi überlegte: „Eigentlich hab ich ja Cholesterin und darf gar nicht… aber
was soll’s!“ Herzhaft biss er in einen Keks, sodass ich schon fürchtete, er
werde sich eine Krone ausbeißen, doch er zeigte eine zufriedene Miene und lud
mich zum Dank ins Wohnzimmer zur Filmvorführung. Der Film hatte schon einige
Jährchen auf dem Buckel und bezog sich auf die Hexenjagd plus brutale Folterszenen. Das
Blut floss reichlich und ich bemerkte: „Kürzlich kaufte ich mir neue Schuhe und
da blutete ich aus den Fersen genauso, wie die Hexe aus Mund und Nase.“
„Aha!“, sagte er. Noch vor der Hexenverbrennung kam Ulli heim und ersparte mir
das deprimierenden Finale. „Toll, dass du hier bist!“, meinte sie und erzählte
mir dann von ihrem Spitalsbesuch, der auch nicht gerade zur Hebung meiner
Stimmung beitrug. „Die arme Frau Sipold hat’s arg erwischt. Offener
Unterschenkelbruch! Furchtbar! Und dazu hat sie noch einen eitrigen Zahn und
einen eingewachsenen Zehennagel, aber ein Unglück kommt halt selten allein.“
„Wem sagst du das!“ Bei mir lief leider auch nicht alles glatt, jedoch gehöre
ich nicht zu den Drama-Queens. „Aber eins verstehe ich nicht, wenn ich weg bin,
kann dein Mann doch nächstes Wochenende seinen Chef einladen.“ „Nein, das
glaube ich nicht, weil erstens, wollte der nur kommen, da er die Handwerker im
Haus hat, zweitens geht er dann schon in Pension und ist für den Wolfi nimmer wichtig
und drittens kommt nächste Woche mein Erbonkel zu Besuch.“ - Tja, das sagte
natürlich alles aus über diese schrecklich nette Familie… Freunde, lasst euch
nicht einladen, bleibt daheim und lest meine Bücher! Kurz & Krass kostet nur 99 Cent!
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