„Der menschliche Kopf ist ein Hohlkörper! Darin befindet sich eine weiche knetbare Masse, die ihr mit euren Worten massieren könnt." eröffnete Bramaputra seinen staunenden Schülern. „Mit Eintritt der Geschlechtsreife suchen die meisten Menschen verzweifelt nach Liebe und Geld, mit dem sie sich zur Not Liebe erkaufen können. Jene, die auf der Suche danach krank wurden, suchen die Gesundheit, und sobald sie die haben wieder nach Liebe und Geld. Das verstehen die Menschen unter Glück. Es ist immer wieder dasselbe. Bei jenen, die schon viele Enttäuschungen erlebt haben, stellen sich oft Depressionen ein und machen die Suchenden anfälliger für Aberglauben und sie suchen die Hoffnung auf....Liebe und Geld! Das ist unsere riesengroße Zielgruppe. Deren Hoffnung zu nähren seid ihr hier. Ihr seid die Nothelfer, die den Verzweifelten den Mut zum Weiterleben zusprechen könnt. Mit einer weichen Stimme aus Samt, die es euren wohlgewählten Worten ermöglicht sich wie Seide in die Gehörgänge zu schmiegen und in den Gehirnen die Gedanken mit guter Hoffnung zu umhüllen und die darin herrschende dumpfe Schwärze zu erhellen. Eure Aufgabe ist es, die zahlreichen Suchenden so lange wie möglich mit euren schönen Worten von ihrer Not abzulenken, um ihnen gleichzeitig die Hoffnung auf ein glücklicheres Leben zu geben. Je länger ihr mit ihnen sprecht, umso wichtiger fühlen sie sich genommen. Und je blumiger ihr ihnen ihre Zukunft beschreibt, umso lieber hören sie euch zu. Fühlen sich der harten Welt entrissen, ihrem Elend entrückt und vergessen alles ihnen widerfahrene Unrecht. Zuerst gilt es allerdings so viel wie möglich über sie zu erfahren, ohne dass es ihnen auffällt. Fragt nach Namen und Geburtsdatum, das euch das Horoskop verrät, an das alle glauben, vor allem an das Positive darin. Je nach Stimmlage und Ausdrucksweise erkennt ihr, wie der Suchende gerade fühlt, ob er krank ist, dann versprecht ihm Besserung, appelliert aber an seine Geduld - Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden! Versprecht nie etwas Bestimmtes konkret, sondern immer nur im Konjunktiv das, was am meisten herbeigesehnt wird. Sei es auch noch so irrational. Sie werden euch dafür lieben und immer wieder kontaktieren, nur um eure Stimme zu hören und den Optimismus und das Mitgefühl darin zu erleben. Sagt oft ihren Namen und, dass ihr sie gut versteht, wenn sie die Zukunft wissen wollen. Werft ihnen nie ihre Fehler vor, sondern sagt, dass sie daran gewachsen sind und sich dadurch erst voll entwickeln konnten. Gebt sinnlosen Schicksalsschlägen eine tiefere Bedeutung. Verwandelt eine Katastrophe in ein Lehrstück und federt so die Wucht der Keule des Schicksals ab. Ermuntert sie dazu, den Mut aufzubringen weiter durchzuhalten, denn ihr könnt schon das Licht am Ende des Tunnels sehen, den verdienten Lohn für die erbrachten Mühen erkennen.
Auf alle trifft zu, dass sie hilfsbereit und daher leicht auszunützen sind, fleißig und doch oft erfolglos, weil das Schicksal mitunter unbarmherzig ist und in der Liebe bisher viel erleiden mussten. Dass der richtige Partner für sie schon in ihrer Nähe weilt und doch noch nicht erkennbar ist und, dass sie demnächst Geld bekommen, wenn auch die Summe nicht übermäßig ist, sodass sie ein Leben ohne Arbeit führen können, denn sie brauchen ohnehin eine Aufgabe. Dass ihre beste Zeit erst später kommt, doch noch in diesem Jahr Besserung zu erwarten ist, wenn sie das ihre dazu tun. Bleibt mysteriös und sprecht oft in Bildern oder Gleichnissen, denn das regt ihre Fantasie an, in der sie sich selber ihre Zukunft in den schönsten Farben ausmalen können. Sprecht nie von negativen Begriffen wie Tod und Alter. Sagt ihnen nie eine unangenehme Wahrheit. Bestätigt sie in ihrem Glauben an sich selbst und eine höhere Gerechtigkeit, die sie bald erfahren werden. Wichtig ist, dass ihr selbst unerschütterlich an das glaubt, was ihr erzählt, dann bleiben euch eure Kunden treu. Macht es wie die aalglatten Politiker, die mit vielen Worten nichts sagen aber alles in Aussicht stellen und dafür die Stimmen der gutgläubigen Wähler bekommen, die auch bald wieder vergessen, wenn etwas nicht ganz eintrifft. Seid das dringend nötige Placebo für die leidenden Kranken und Liebeskranken, die nach Aufmerksamkeit und Zuneigung hungern. Beendet eure Gespräche immer mit positiven Worten, die in schillerndsten Farbtönen ein phantastisches Gemälde der kommenden Liebe und des Glücks für den Hoffenden erschaffen."
Einer der Jünger meldete sich zu Wort: „Heißt das, dass nur arme leichtgläubige triebgesteuerte Hohlköpfe bei uns auf der Hotline anrufen, die Märchen hören wollen?"
Bramaputra lächelte milde: „Das ist jetzt sehr hart formuliert...aber ja!"
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